: „'Feuer-Fritze' reitet wieder“
■ Sondermüllverbrennung Borsigstraße: Bald weniger giftig, dafür mehr
Die Sonderabfallverbrennungsanlage (SAV) in der Borsigstraße soll von Grund auf saniert werden. So nennt das jedenfalls die Abfall-Verwertungsgesellschaft (AVG), die die Anlage seit 1971 betreibt und einen enstsprechenden Antrag gestellt hat, der in der nächsten Woche erörtert wird. Faktisch handelt es sich um einen Neubau der veralteten Anlage, die den Anforderungen der TA Luft schon lange nicht mehr entspricht.
Gegen die Sanierung bzw. den Umbau ist nicht viel einzuwenden, der Schadstoffausstoß wird deutlich geringer sein: An die eh schon arg belastete Billbrooker Luft sollen hernach 60 Prozent weniger Quecksilber, rund 70 Prozent weniger PCB und Benzol, über 90 Prozent weniger Dioxin abgegeben werden.
Die Einwender, die auf der am Montag beginnenden Erörterung gehört werden, kritisieren bereits jetzt vor allem, daß der Umbau auch eine Kapazitätserweiterung mit sich bringt. Bisher wurden in der Borsigstraße jährlich 95.000 Tonnen Sonderabfälle verbrannt, die rundumerneuerte Anlage kann 144.000 Tonnen verarbeiten.
„Feuer-Fritze reitet wieder durch die Borsigstraße“, schimpft der ehemalige GAL-Abgeordnete Holger Matthews. Die Vergrößerung der SAV bewertet er als „weiteren Beweis der pyromanischen Leidenschaft des Umweltsenators“. Es gebe viele Möglichkeiten, Sonderabfälle zu vermeiden oder zu verwerten. „Zum Beispiel stammt die Hälfte der bisher in der SAV verbrannten Abfälle aus dem Kfz-Bereich. Dazu gehören die zu 50 bis 70 Prozent vermeidbaren beziehungsweise wiederverwertbaren Öldosen, Putzlappen, Ölfilter; ferner Lackschlämme und Ölabscheider“, so Matthews. Ölhaltige Werkstattrückstände machten die Hauptmenge des verbrannten Sondermülls aus, bestätigt Hans-Albert Dirrigl von der AVG, „vom dreckigen Handschuh bis zum ölverschmierten Einweganzug“.
Auch der BUND bemängelt, die Möglichkeiten der Abfallvermeidung seien nicht ausreichend geprüft worden. Dabei hätte die für die Genehmigung zuständige Umweltbehörde gar nicht lange suchen müssen. Machte sie doch im März darauf aufmerksam, daß Ölfilter aus Kraftfahrzeugen und ölverunreinigte Dosen von Tankstellen und Kfz-Werkstätten recycelt werden können: Eine Hamburger Firma trennt das Öl von Filtern und Dosen. Damit wären schon schätzungsweise ein Drittel der in der Borsigstraße verbrannten „ölhaltigen Betriebsmittel“ vermieden. Auch für ölige Putzlappen gibt es zum Beispiel einen Betrieb in Lauenburg, der die Lappen wäscht.
Auch die Erweiterung der Anlage hat mit Autos zu tun. Sie wird unter anderem damit begründet, daß künftig auch noch 16.000 Tonnen Schreddermüll verbrannt werden sollen, statt in der Autoverwertung recycelt zu werden, wie GAL-Einwender Martin Schmidt kritisiert. Er stellt zusammenfassend fest, „daß die erhebliche Kapazitätserweiterung der SAV nicht im öffentlichen Interesse liegt, sondern stattdessen dem Antragsteller die Möglichkeit bietet, bundesweit Müll zu acquirieren und ihn in einem ohnehin schon stark belasteten Stadtteil zu verbrennen“. VM
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen