„Die Ampel ist besser als ihr Ruf“

■ Fraktionsvorsitzende ziehen Halbzeitbilanz / „Öffentlchkeit wird sich an Dreierbündnis gewöhnen müssen“

Des einen Uhl ist des anderen Nachtigall — nein, nicht die Arbeitssenatorin ist gemeint: Gestern zogen die Ampelspitzen Halbzeitbilanz, und was die einen als großen Erfolg verbuchten, da hing für die anderen „Herzblut“ dran. Eine Lehrstunde über den politischen Kompromiß: Wenn der Grüne Dieter Mützelburg seine Partei lobte, „eine Schranke gegen den überdimensionierten Flächenverbrauch“ gesetzt zu haben, dann zuckte Heinrich Welke stellvertretend für die FDP zusammen. Die Entscheidung zur Hemelinger Marsch, „das war schwer zu akzeptieren“. Als Welke sich aber lobte für die Schneise, die die FDP in die bremisch-sozialdemokratische Schulpolitik geschlagen hat, da antwortete SPD-Fraktionschef Claus Dittbrenner auf die Frage, was der schwerste Kompromiß gewesen sei: Bildungspolitik. Mit gedämpftem Optimismus zogen die drei Fraktionsspitzen gestern Bilanz: „Die Ampel ist besser als ihr Ruf.“

Wohlpräpariert mit langen Erfolgslisten traten Dittbrenner, Mützelburg und Welke vor die Presse und neben dem Eigenlob gab es vor allem eine Botschaft: Sparen, sparen, sparen! Gestern herrschte die große Einigkeit im Ankündigen von Kürzungen und Umstrukturierungen. Beispiel Privatisierung öffentlicher Aufgaben: Was die Bremer Entsorgungebetriebe und der Martinshof schon hinter sich haben, das steht den diversen öffentlichen Labors, dem Fernmeldetechnischen Dienst, den KfZ-Werkstätten oder dem Gartenbauamt noch bevor. Noch wird geprüft, wie diese Bereiche organisiert werde sollen, ob als Eigenbetrieb, vollständig privatisiert oder einfach abgeschafft. Doch daß das passiert, darüber herrscht Konsens in der Ampel. Dieter Mützelburg: „Wenn nicht mittelfristig Stellen eingespart werden, dann nützen auch die 50 Millionen nichts.“ Die schweben den Ampelpartnern als Einsparpotential in der aktuellen Haushaltsrunde vor.

Pünktlich zu Beginn der Haushaltsberatungen sollen die ersten Ergebnisse der Sparkommission vorliegen, die seit dem Frühsommer über der sogenannten Giftliste brütet. Insgesamt 80 Positionen stehen dort zur Überprüfung an. „Gar keine Frage“, so Dittbrenner, sei es, daß das Sanierungsprogramm eingehalten werde. Dort ist festgelegt, daß der Bremer Haushalt um nicht mehr als drei Prozent steigen darf. Und wo der Rotstift vor der Privatisierung nicht zurückschreckt, da muß auch das Personalvertretungsgesetz dran glauben: „Noch in diesem Jahr“, so Welke, will die Koalition einen Gesetzesentwurf zur Novellierung vorlegen.

Flughafen, Containerterminal III, Autobahnring — in ihrer Bilanz hebt die FDP vor allem auf ihre Wirtschaftspolitik ab. Und trotz der Hemelinger Marsch gehört dazu vor allem das Flächenprogramm: 50 Hektar pro Jahr, um die bis an den Koalitionsbruch heran gepokert worden ist. Damals hatte die FDP noch behauptet, daß ohne diese Flächen die bremische Wirtschaft bachab gehen würde. Einige Monate später hört sich das schon viel harmloser an. Heinrich Welke: „Angesichts der Konjunktur werden wir die gar nicht brauchen.“

Doch so wenig die FDP die Arbeit „ihres“ Innenressorts lobt, so wenig kommt die Kulturpolitik in der Bilanz der Grünen vor: Die Beschränkung des Flächenverbrauchs, eine „Wende in der Abfallpolitik“, die Ausweitung der Kindergartenversorgung und das Überleben eines Großteils der Projekteszene — das ist es, was Dieter Mützelburg den Grünen auf die Fahnen schreibt. Aber einen „richtigen Mißerfolg“ hat er auch zu verkünden: Die Verkehrspolitik. „Die Eröffnung einer neuen Straßenbahnlinie dauert in Bremen länger, als die Freigabe einer neuen Straße.“

Dagegen freut sich die SPD mit Claus Dittbrenner an der Spitze über den „Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs“. Das sei ein Erfolg der SPD. Dabei sei es beim ÖPNV allerdings genauso wie bei der Förderung des Tourismus und vielen anderen Politikfeldern: Vieles sei angelaufen, nur die Umsetzung sei zu langsam. Dittbrenner: „Das Tempo muß erhöht werden.“ Und seine beiden Kollegen nickten. Am tollsten an der Ampel findet die SPD aber den Wohnungsbau. Da hat Bremen seine Zielzahl von 2.200 Wohnungen für 1992/93 mit rund 3.500 schon weit übertroffen.

Auch wenn sie alle „ein Vollzugsdefizit“ konstatierten, und daß die Bedingungen für Politik alles andere als rosig seien, das Ampeltrio demonstrierte große Harmonie und stellt sich auf weitere zwei Jahre ein. Schon allein, weil es keine Alternative zu geben scheint. Heinrich Welke: „Auch das hat Hamburg gezeigt, die Öffentlichkeit wird sich an Dreierkombinationen gewöhnen müssen.“ J.G.