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Wer weiß, wie, kassiert: Geschichten vom Abzocken

■ Der Arzt und seine „Praxishelferin“, der Herr Papa im Ruhestand mit „Berater- vertrag“, der Wohnungsvermieter und seine „Gäste“, die nette „Vermittlerin“

Dr. med. Krause (*) hat eine gutgehende Praxis für Allgemeinmedizin. Und Ehefrau und Kind. Seine Frau hat früher als Arzthelferin gearbeitet. Jetzt ist sie fast nur noch zu Hause und kümmert sich um den Nachwuchs. Auf dem Papier allerdings sieht die Sache anders aus. Dr. Krause beschäftigt seine Ehefrau offiziell als zweite Praxishelferin. Er zahlt ihr ein Bruttogehalt von 3.500 Mark und führt Steuern und Versicherungsbeiträge ab. Seine Ehefrau hat einen ordnungsgemäßen Anstellungsvertrag. Ihr „Verdienst“ wird jeden Monat auf ein getrenntes Bankkonto überwiesen.

In Wirklichkeit jedoch hilft sie nur sehr selten in der Praxis aus. Dr. Krause kann das Arbeitsentgelt seiner Ehefrau von der Steuer absetzen, was ihm einen Vorteil bringt. Richtig gut verdienen die Eheleute aber erst, seit der Doktor seiner Frau nach anderthalb Jahren aus betriebsbedingten Gründen kündigte. Jetzt bekommt sie Arbeitslosengeld, immerhin ein gutes Jahr lang. Trotz der Sozialabgaben, die Krause zahlen mußte, haben die Eheleute mit dieser Masche gut abgezockt: 8.000 Mark vom Arbeitsamt. Wenn niemand nachweist, daß die Ehefrau kaum gearbeitet hat, „müssen wir die Sache als legal betrachten“, meint Peter Hielscher vom Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg.

Gerd Schulze (*) hat eine eigene Softwarefirma mit mehreren Angestellten. Der Laden läuft prima und bringt Schulze einen Gewinn von 500.000 Mark im Jahr. Davon müßte Schulze eigentlich 83.000 Mark Gewerbesteuer und 175.000 Mark Einkommensteuer bezahlen. Insgesamt wäre eine Steuerbelastung von 258.000 Mark fällig. Ziemlich viel, aber Schulze hat vorgesorgt. Mit Hilfe des 63jährigen berenteten Vaters. Papa Schulze hat früher mal als Kaufmann gearbeitet und könnte seinem Sohn auch jetzt noch zu Diensten sein. Zumindest auf dem Papier. Denn Schulze junior verpflichtet den Papa einfach als unabhängigen Senior-Berater.

Laut Vertrag kassiert der Vater 60.000 Mark Honorar im Jahr. Dieser muß dann selbst zwar, nach Abzug eigener hoher „Kosten“, etwa 6.000 Mark Einkommensteuer zahlen. Trotzdem kommt die Familie insgesamt jetzt viel günstiger weg. Denn Gerd Schulze kann die teure Beratung von der Steuer absetzen. Sein Gewinn sinkt damit auf 440.000 Mark, die Steuerbelastung auf 228.000 Mark. Sein Nettoeinkommen steigt somit durch den „Geisterberater“ um 30.000 Mark. „Verträge zwischen nahen Angehörigen“ stehen ganz oben auf der Mißbrauchsliste des Bonner Finanzministeriums.

Detlef Meyer (*) besitzt ein Mietshaus. Die Wohnräume im ersten Stock und im Souterrain hat er als gewerbliche Pension angemeldet. In der kleinen Wohnung im Souterrain wohnt ein Flüchtlingsehepaar aus Dubrovnik. Mit der Kochecke und der Ofenheizung sind die Räume nicht besonders komfortabel. Trotzdem kassiert Meyer täglich einen Pensionspreis von 35 Mark pro Person vom Sozialamt. Denn die beiden bekommen anderswo keine Wohnung.

Der 40jährige Ehemann, ein Tischler, wird auf der Suche nach Arbeit bald fündig. Ein Bauunternehmer will ihn fest anstellen. Doch als der Tischler beim Sozialamt vorspricht, ergibt sich ein Problem: mit der Festanstellung verlöre das Ehepaar den Anspruch auf Sozialhilfe und damit auch auf die Abrechnung der Übernachtungskosten. 2.000 Mark „Miete“ aber kann der arbeitswillige Flüchtling nicht aufbringen, er würde damit wieder zum Sozialfall. Die Folge: Der Tischler stellt seine Arbeitssuche ein und muß weiterhin von „Stütze“ leben – an der vor allem Detlef Meyer gut verdient. „Eine Zwickmühle, aus der wir wegen der Wohnungsnot auch nicht ohne weiteres heraushelfen können“, kommentiert eine Sprecherin der Berliner Sozialverwaltung.

Hedwig Müller (*) ist Angestellte einer Hausverwaltung. Als im ersten Stock eines Wohnhauses mit noch günstigen Mieten eine große Wohnung frei wird, wittert sie ihre Chance. In der Sonntagszeitung stößt Hedwig Müller auf die Anzeige von Ludwig und Mariam Walter, die 10.000 Mark Belohnung für die Vermittlung einer Vierzimmerwohnung anbieten. Hedwig Müller bittet die beiden zur Besichtigung der heruntergekommenen Wohnung, 1.500 Mark soll die Miete kosten. „Ich würde Sie ja gern nehmen“, gibt sie sich leutselig, „aber da sind noch andere Bewerber, ein nettes Ehepaar, die würden 17.000 Mark Belohnung zahlen. Ich lasse Sie mal einen Moment allein, gucken Sie sich die Wohnung ruhig genau an.“

Das suchmüde Ehepaar Walter akzeptiert nach kurzer Beratung, auch als Hedwig Müller das Schmiergeld auf 20.000 Mark erhöht, denn „das andere Ehepaar kam über einen Makler, der ist jetzt natürlich traurig, wenn er keine Ausgleichszahlung erhält“. Hedwig Müller läßt sich die 20.000 Mark direkt übergeben. „Schmiergeld kann nur zurückgeklagt werden, wenn die Zahlung durch außenstehende Zeugen bestätigt wird“, so Hartmann Vetter vom Deutschen Mieterbund. Eine zuvor ausgeschriebene und auch gezahlte Belohnung kann allerdings nicht mehr zurückgeklagt werden.

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