: Kein Platz mehr für Opern-Phantome
■ Nach drei Umbauphasen in den vergangenen Sommerpausen hat die Bühne der Hamburg Oper nun endlich eine zeitgemäße Untermaschinerie fürs Drehen und Heben
Die Bühne des Hamburger Opernhauses ist geschichtet wie eine Torte, hat aber einen entscheidenden Vorteil: Die einzelnen Podien lassen sich problemlos voneinander trennen. Doch allein in diesem Jahr war ihre Beweglichkeit für drei Monate beschränkt. Zwischen den einzelnen Elementen wurde fleißig gesägt, gebohrt und geschraubt. Doch während andere Häuser für einen so großen Umbau eine komplette Spielzeit lang schließen, verteilte die Hamburger Oper die Bauarbeiten an der Untermaschinerie auf drei Sommerpausen.
Aus den ursprünglich angesetzten 33 Millionen Mark Umbaukosten wurden in den drei Jahren insgesamt 38 Millionen Mark. Erfreulich aber, daß die Bauarbeiten termingerecht, am vergangenen Sonntag, einen Tag vor den Hauptproben für die Götterdämmerung, abgeschlossen werden konnten.
Durch den Umbau wurde die Bühne endlich an die Anforderungen der Zeit angepaßt. Das Bühnenbild in der Oper „ist heute dreidimensional und von mehr Gegenständlichkeit geprägt“, sagt Lothar Bahr, der Technische Direktor des Opernhauses. Doch die neue „Gegenständlichkeit“ erfordert großen Aufwand, der aus dem Zuschauerraum kaum zu ermessen ist. Imposante Ausmaße sind für so eine Inszenierung erforderlich: Rund 41 Meter „Arbeitshöhe“, was der Strecke vom untersten Bühnenkeller bis zum Dach entspricht.
Allein die Untermaschinerie braucht davon 13 Meter. Die Hauptbühne besteht aus sieben Hubpodien von zweieinhalb mal 15 Metern Fläche. Vier davon sind doppelstöckig und mit zehn Meter Abstand sogar zweimal als Bühnenboden zu verwenden. Dazu kam eine neue Drehscheibe mit einem 15 Metern großen Durchmesser: Mit ihrer Hilfe können insgesamt 55 Quadratmeter Seitenbühnen innerhalb kürzester Zeit ins Rampenlicht befördert werden.
Jeder Raum wird genutzt. Alles ist vollgepropft mit Mechanik, Elektronik oder sonstigem Gerät. Für ein Phantom wäre hier überhaupt kein Platz. Den Antrieb der Untermaschinerie übernimmt eine Hydraulik mit einem Stickstoff-Öl-Gemisch. Für das Publikum ist sie praktisch nicht zu hören, im Maschinenraum ist es dagegen ziemlich laut. 6.000 Liter Stickstoff und 5.400 Liter Öl wollen durch die Elektromotoren bewegt werden, die sich zwischen 36 riesigen, grünen Stickstoffbehältern befinden.
Das gesamte System ist jetzt rechnergesteuert: Herz der imposanten Anlage mit großen Schaltkonsolen und einem guten Dutzend Verteilerschränke ist ein ganz normaler Computer, wie er heute schon in vielen Haushalten steht: Ein ganz normaler 486er PC. Trotz modernster Technik werden aber auch zukünftig meist mehr Leute für die Technik arbeiten, als auf der Bühne stehen.
Rund 50 Bühnentechniker, Maschinisten, Beleuchter und Requisiteure werden für jede Aufführung gebraucht. Wobei der Bedarf mit abnehmender Protagonistenzahl steigt, wie Techniker Bahr erklärt: „Je weniger auf der Bühne stehen, desto mehr Technik wird eingesetzt.“
Werner Hinzpeter
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