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Wo bleibt sie denn, die Orgel?

■ Verwirrende Eröffnung des 6. Internationalen Orgelfestivals

Das Publikum mußte lange warten. Nicht nur auf den kurzzeitig entschwundenen Dirigenten Ekkehard Richter, sondern auch auf den Hauptdarsteller des 6. Internationalen Orgelfestivals Hamburg, die Orgel. Bevor die erste Pfeife erklang, mußte man sich bei der Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag in St. Nicolai mit zwei Mozartwerken langweilen. Die wurden von der Hamburger Camerata nicht nur lustlos und mit immer wieder unsauberen Geigenklängen gespielt, sondern paßten auch gar nicht zu den anderen Darbietungen des Konzertes.

Letztere waren nämlich im Gegensatz dazu energiegeladen und modern. Der „Cantus in memory of Benjamin Britten“ des Finnen Arvo Pärt kommt zwar ebenfalls ohne Orgel aus, bot dafür aber immerhin eine Glocke. Der entstandene Klangteppich um das kontinuierliche Thema, eine absteigende Tonfolge, wurde gefühlvoll entwickelt. Ein kurzes, aber spannendes Stück.

Es gab noch ein Werk ohne Orgel, sogar ohne Glocke, dafür aber mit Ballett: die „Simple Symphony für Streichorchester op. 4“ des eben noch geehrten Benjamin Britten. Der Choreograph Kevin Haigen hatte den Tanz des Hamburg Balletts im Programmheft als „Etude“ zur Förderung und Entwicklung junger Talente bezeichnet. Mehr war es nicht, aber auch nicht weniger. Die klassischen Variationen waren präzise getanzte Übungen von je drei jungen Tänzerinnen und Tänzern, darunter die Zwillinge Jiri und Otto Bubenicek.

Zur Belohung für geduldiges Warten auf das sakrale Tasteninstrument war das abschließende Konzert für Orgel, Streichorchester und Pauken in g-moll von Francis Poulenc ein besonderer Leckerbissen. Die Orgel wurde ausdrucksstark vom schwedischen Orgelprofessor Hans-Ola Ericson gespielt.

Dazu tanzte eine weitere Gruppe des Hamburg Balletts auf der den Altarraum überspannenden Bühne, diesmal ganz und gar nicht als Übung. In zahlreichen Bildern illustrierte Choreograph Ivan Liska die Musik kraftvoll und bisweilen kämpferisch. Im Wechsel zwischen Formation und Soloparts gelang es ihm, den musikalischen Span-nungsbogen zu unterstreichen. Dabei setzte er klassische Elemente neben verspielte und moderne Figuren, erinnerten die Tänzerinnen und Tänzer bisweilen an Kung-Fu-Kämpfer, Puppen oder Streetgangs. Bei synchronen Bewegungen gab es allerdings Abstim-mungsprobleme.

Für einen gebührenden Festival-auftakt ist die Orgel eindeutig zu kurz gekommen. Zum Glück hat sie unter dem Motto „Mit Harfen und mit Zimbeln schön“ noch bis zum 8. Oktober zahlreiche andere Gelegenheiten sich Gehör zu verschaffen.

Werner Hinzpeter

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