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Die Klobürste, dein Freund und Helfer

Widerborster können sich sehen lassen, denn die Designer befreien sie mit neuen Formen und etwas Farbe aus ihrem verschämten Versteck / Kitsch von der WC-Schnecke bis zum seligen Teddy  ■ Von Christian Arns

Stets sollen sie den letzten Dreck wegmachen, eine wahrlich undankbare Aufgabe. Immer und immer wieder müssen sie dort arbeiten, wo es am schmutzigsten ist, wo außer ihnen weder jemand hinmöchte noch hinbraucht. Und lange Zeit sollten sie zu allem Übel auch noch so unauffällig wie möglich sein: die Klobürsten.

Das Schattendasein der borstigen Haushaltsgehilfen gehört jedoch zunehmend der Vergangenheit an, neben ausgeflippten Designern entdecken auch Händler langsam aber, sicher ihre Salonfähigkeit. Diese allerdings bleibt bildlich, da weiter Toiletten die Wirkungsstätte und auch in den Ruhephasen der Aufenthaltsort sind. Dort jedoch müssen sie nicht mehr in irgendwelchen Schränkchen verschwinden oder in ihrer weißen Plastikhalterung möglichst hinter die Schüssel geschoben werden – Klobürsten können sich mittlerweile sehen lassen.

Im Kaufhof am Alexanderplatz sind die Zeichen der Zeit erkannt worden, die Auswahl von Kitsch bis Styling, von peppig bis zum Modell „Versteck dich“ ist kaum zu schlagen: Über 120 Kratzbürsten mit Ständer erfreuen des Betrachters interessiertes Auge, 8 Mark 50 kostet die billigste, über das Zehnfache der Porzellanschüssel-Putz- Rolls-Royce. Die einfachen Modelle überwiegen deutlich, die Osttarife lassen große Sprünge neben dem Klo offensichtlich noch nicht zu. Die Farben bei den Billigmodellen machen wahr, was Waschmittelwerbungen als Wirkung der Konkurrenzprodukte immer androhen: ausgeblichenes Grün, kraftloses Blau, matschiges Bräunlich oder trostloses Grau.

Doch nicht nur Plastik ummantelt die Bürsten, sondern auch Keramik. So glotzen verschiedene Katzen, eine von ihnen ist marmoriert, so unglaublich blöde durch die Sanitärabteilung, daß einem in der Tat kein besserer Zweck einfiele, als ihnen zur Rache eine Klobürste in den Rücken zu stecken. Ähnliches gilt für die ebenfalls knapp 50 Mark kostenden Enten, von denen eine einen vollverchromten Schnabel hat, oder die riesige weiße Schnecke, die den Gipfel der Geschmacklosigkeit darstellt. Friedlicher, fast selig blickt ein kleiner Teddy durchs Geschäft, als verrichte er gerade ein solches – und als habe er lange darauf warten müssen.

Nicht minder scheußlich präsentiert sich die bunte Gans „Lisa“, die ihren Namen auf einem Schildchen so würdevoll um den Hals wie die Bürste im Gefieder trägt und die Kitsch-Fans für schlappe 40 Mark bei Karstadt am Leopoldplatz erstehen – das ideale Mitbringsel für den nächsten Polterabend. Sollte tags drauf die Braut entführt und in eine Kneipe im Ostteil der Stadt verfrachtet werden, geht voraussichtlich das altbekannte Problem auf der Toilette wieder los: Die Bürste hängt nicht in einer Halterung, nein, sie steckt in ihrem Standfuß; um so fester, je dreckiger sie ist. Manch Kneipengast verzweifelte bereits beim Versuch, den Klotz mit dem Fuß an die Wand zu pressen und die Bürste herauszuziehen, ohne dabei Schuhe und (Hosen-)Beine mit ungewolltem Muster zu überziehen. Wer sich diesen alten DDR-Toiletten-Krieg in die eigenen vier Wände holen möchte, bekommt das gute Stück bereits für 3 Mark 50 bei Woolworth in der Nürnberger Straße. Stilecht kauft der echte Liebhaber das Vorzeigemodell der „Bürsten- und Etuisfabriken“ im Erzgebirge jedoch bei Haushaltswaren Gerda Schöfisch in der Oranienburger Straße und für 5 Mark 35. Dort grinst der Kundschaft auch schon das Bürsten-Schwein für knappe 25 Mark im Schaufenster entgegen, wer kann dazu schon nein sagen?

Und wer zwar Farbiges neben der Schüssel will, deren Reinigungshilfe jedoch auch nicht in einem Porzellan-Fußball verschwinden lassen möchte, findet Sets in verschiedenen Farben bei Karstadt bereits für 5 Mark. Das Doppelte kosten die bunten Ausführungen bei Woolworth, die dafür eine etwas ausgefallenere Form haben, die frappierend an den Bundeskanzler erinnern. Und echte Designer-Stücke, etwa das Dreiecksmodell oder der schwarze geschwungene Klotz mit harmonisch eingepaßter gelber, roter oder grüner Bürste, bietet vor allem der Klobürstentempel auf dem Alexanderplatz. Denn dort gibt es das Kratzköpfchen am langen geschwungenen und durchsichtigen Stil, der in der Hand liegt, als habe sich der Hersteller auf eine langwierige Aufgabe eingestellt.

Diesem Luxus der Kaufhof- Kette kann Karstadt offenbar nicht Paroli bieten. Wie wäre es mit einer kleinen Dagobert-Statuette? Vielleicht mit einem kleinen Polizisten bei der Geldübergabe darin? Die Klobürste, dein Freund und Helfer.

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