„Vier Schweine“ bei der Frankfurter SPD

Bei der Wahl zum Umweltdezernenten fällt Lutz Sikorski von den Grünen im rot-grünen Frankfurt durch das Mehrheitsraster / SPD-Dissidenten votierten Koalition an den Abgrund  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Für Oberbürgermeister Andreas von Schoeler (SPD) haben am Donnerstag im Römer „vier Schweine in den eigenen Reihen“ dafür gesorgt, daß die seit 1989 existente rot-grüne Koalition in der Mainmetropole zur Disposition steht. „Die Koalition, so wie sie vereinbart war, ist am Ende“, orakelte Schuldezernentin Jutta Ebeling (Grüne), nachdem der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Römer, Lutz Sikorski, auch im zweiten Wahlgang vom Stadtparlament nicht zum neuen Umweltdezernenten gewählt wurde: Für Sikorski lagen in beiden Wahlgängen nur 43 Stimmzettel in der Wahlurne – bei 47 anwesenden Stadtverordneten von SPD und Grünen. Die anwesenden 35 Christdemokraten, die zehn „Republikaner“ und die vier U-Boote aus dem sozial-ökologischen Lager sorgten für konstant 49 Neinstimmen in beiden Wahlgängen. Heiterkeit bei den Christdemokraten: „Ich geh' noch einen Rotwein trinken, denn die roten Flaschen müssen weg!“ (Labonte/CDU).

„Ich lege Hände, Füße und alles, was ich habe, dafür ins Feuer, daß meine Fraktion geschlossen für Sikorski gestimmt hat“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Römer, Martina Schmiedhofer, nachdem der düpierte Sikorski vor einem möglichen dritten Wahlgang resigniert das Handtuch geworfen hatte. Für die Grünen steht fest, daß die Abweichler in den Reihen der SPD zu suchen sind. Und OB von Schoeler wollte ihnen da nicht widersprechen: Es sei beschämend, so von Schoeler, daß das eindeutige Wählervotum für Rot-Grün „von politischen Heckenschützen verfälscht“ worden sei.

Lutz Sikorski selbst stieg noch am Freitag in memoriam an den desaströsen Wahlabend die „Zornesröte“ ins Gesicht. „Hinter zugezogenen Vorhängen in der Wahlkabine“, so Sikorski zur taz, hätten sich die roten Abweichler feige vom rot-grünen Projekt verabschiedet: „Eine ranzige Art, Politik zu betreiben.“ Die eingebrockte Suppe müsse die Koalition nun auslöffeln.

Dafür, daß in Frankfurt die „Suppe“ dennoch nicht so heiß gegessen werden muß, wie sie am Donnerstag vorgekocht wurde, sollte gestern am späten Nachmittag eine rasch einberufene Koalitionsrunde sorgen. Das von den Grünen im ersten „heiligen Zorn“ ausgesprochene Edikt vom „Ende der rot-grünen Koalition“ in Frankfurt am Main relativierte sich gestern zur feingeschliffenen Formulierung von der „Suche nach einem Ausweg aus der Sackgasse“. „Emotionale Schnellschüsse“, so etwa Tom Koenigs, seien in dieser Situation ohnehin nicht angebracht, auch wenn Lutz Sikorski „übel mitgespielt“ worden sei. Weil OB von Schoeler einen von der Union noch in der Nacht zu Freitag geforderten Rücktritt kategorisch ablehnt, sind konservative Wunschträume nicht nur von Christdemokraten von einer Großen Koalition in Frankfurt wahrscheinlich Schäume. Unter einem Oberbügermeister Andreas von Schoeler ist die stärkste Fraktion im Stadtparlament, die Union, nicht bereit, den „Juniorpartner“ zu mimen. Die CDU will den Rücktritt von OB von Schoeler – um ihre Kandidatin Petra Roth in der dann notwendig werdenden Direktwahl gegen von Schoeler antreten zu lassen. So wird die rot- grüne Koalition (wahrscheinlich) weiterwursteln, denn in Sachfragen – so war gestern bei den Grünen zu hören – habe die Abstimmungsmaschinerie im Römer bislang immer „bestens funktioniert“.

OB von Schoeler versprach, daß er sich persönlich dafür einsetzen werde, daß es in Zukunft „nicht nur bei offenen Abstimmungen, sondern auch bei Personalentscheidungen in geheimer Wahl“ hinreichende Mehrheiten für die Koalition geben werde. Der Sozialdemokrat kündigte eine „harte Aussprache“ mit den eigenen Parteifreunden an. Ob das alleine den „Seniorpartner mit Schlaganfall“ (Koenigs/Grüne) wieder auf rot- grüne Linie bringen wird, bezweifeln im Römer nicht nur die Parteigänger der Union. Seit dem „Königsmord“ an Ex-OB Volker Hauff ist der innerparteiliche kalte Krieg bei der SPD in Frankfurt zwischen rechtem und linkem Flügel der Partei wiederholt eskaliert. Mit der Ernennung von Tom Koenigs von den Grünen zum Stadtkämmerer habe von Schoeler für die Rechten dann den „Bogen klar überspannt“, wie auf dem letzten Kreisparteitag der SPD zu hören war.

Der Grüne Lutz Sikorski also ein Opfer der latenten Querelen bei den Sozialdemokraten? Für Rosemarie Oswald, Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen, steht jedenfalls fest: „Wir haben den Koalitionsvertrag nicht gebrochen.“ Und im übrigen sei es ihr „schleierhaft, was hier abgeht“. Da wußte Rita Streb-Hesse vom SPD-Unterbezirk Rat: „Die sind doch verrückt.“