: Westafrika vor dem Bankrott?
Die Währungsunion mit dem französischen Franc behindert die Sanierung der Staatsfinanzen / Senegal will Löhne seiner Beamten kürzen ■ Von Dominic Johnson
Berlin (taz) – Die Regierung des westafrikanischen Senegal versucht, den lange verlorengegangenen Ruf eines wirtschaftlichen Hoffnungsträgers wiederzuerlangen. Eine 15prozentige Lohnkürzung, ein „Solidaritätszuschlag“ in Höhe eines Tageslohns pro Monat – also etwa fünf Prozent – im privaten Sektor, dazu diverse indirekte Steuererhöhungen: so soll endlich die Sanierung der Staatsfinanzen glücken, die nach dreizehn Jahren immer neuer Strukturanpassungsprogramme so fern scheint wie nie. Das hofft jedenfalls die seit 1960 regierende Sozialistische Partei, die erst im Frühjahr die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wieder gewann und nun, wie bereits seit über zehn Jahren, mit Präsident Abdou Diouf und Premierminister Habib Thiam ungestört weiterregieren kann.
Das Sparpaket, das die Nationalversammlung am 24. August beschlossen hat, stößt jedoch auf heftigen Widerstand. Auf einen ersten Generalstreik am 2. September folgte eine ergebnislose Verhandlungsrunde mit den Gewerkschaften, die nun dazu geführt hat, daß vergangene Woche ein neuer zweitägiger Generalstreik stattfand, diesmal von den Oppositionsparteien ausgerufen.
Die Wirtschaftslage gibt der Regierung recht. Das Bruttosozialprodukt wächst seit längerem langsamer als die Bevölkerung, Haushalts- und Handelsbilanzdefizit steigen jährlich, während die Exporterlöse beständig fallen. Auf die Rekordsumme von 110 Milliarden CFA-Francs (über 600 Millionen Mark) beläuft sich das aktuelle Haushaltsdefizit, das sind bald zehn Prozent des Bruttosozialprodukts; das diesjährige Loch in der Zahlungsbilanz schätzt der IWF auf 200 Milliarden CFA-Francs.
Gleichzeitig winkt aber die Weltbank mit einem Kredit von 81 Millionen Dollar – wenn die Staatsausgaben reduziert werden. Also erklärte Präsident Diouf im August, man könne entweder 13.200 der insgesamt 66.000 Stellen im öffentlichen Dienst streichen, die Landeswährung um 50 Prozent abwerten oder eben die schließlich beschlossenen Lohnkürzungen vornehmen. Da er vor seiner Wiederwahl die Schaffung von 20.000 Arbeitsplätzen pro Jahr versprochen hatte, war ihm diese Alternative wohl ganz recht.
Die Gehälter der Staatsbediensteten sind der effektivste Kürzungsposten, denn sie machen 64 Prozent des Staatshaushalts aus.
Zumindest Frankreich war des Lobes voll. „Die von Senegal geleistete Anstrengung ist in den Staaten der CFA-Zone wünschenswert, möglich und notwendig“, erklärte das französische Entwicklungshilfeministerium dem senegalesischen Wirtschaftsminister Ousman Sakho bei dessen Paris- Besuch am 7. September. Es wies damit auf das Grundproblem der meisten ehemaligen französischen Kolonien in Afrika hin: Ihre Staatseinnahmen gehen zum Großteil für Beamte flöten, die durch tatkräftige Störung privaten Unternehmertums die wirtschaftliche Entwicklung eher hindern als fördern. In Niger und Tschad übersteigen die Beamtengehälter die Steuereinnahmen, in Ländern wie Togo, Kamerun und der Zentralafrikanischen Republik werden sie oft – wenn überhaupt – erst mit mehrmonatiger Verspätung aus Paris bezahlt.
Die Wirtschaftsdaten der 13 frankophonen Staaten in West- und Zentralafrika können kaum durch höhere Exporte besser werden, da sie die aus der Kolonialzeit stammende gemeinsame Währung „CFA-Franc“ besitzen, die von der französischen Zentralbank gedeckt wird, mit dem französischen Franc frei konvertierbar und seit 1948 mit einen festen Wechselkurs von 50 zu eins mit ihm verbunden ist. Dieser Kurs gilt inzwischen international als zu hoch: Im Verhältnis zum Nationaleinkommen waren Senegals Durchschnittsgehälter 1991 sechsmal so hoch wie die Indonesiens und immerhin dreimal so hoch wie die des anglophonen Konkurrenten Ghana.
Seit 1986 fällt das Pro-Kopf- Bruttosozialprodukt in den CFA- Ländern jährlich um etwa fünf Prozent. Die internationalen Finanzinstitutionen sehen eine Reihe simpler Alternativen: Den CFA-Franc entweder drastisch abwerten, ihn frei flottieren lassen oder ihn ganz abschaffen. Eine Abwertung schlägt beispielsweise Abdoulaye Wade vor, Führer der größten senegalesischen Oppositionspartei PDS. Die Elite dieser Staaten ist jedoch dagegen, da bei einer Abwertung die heißgeliebten Einkaufstrips nach Frankreich teurer wären als bisher.
Nicht auszuschließen ist jedoch, daß eine Abwertung demnächst zur Bedingung für weitere internationale Kredite gemacht wird. Obwohl die Westafrikanische Zentralbank seit Anfang August von ausländischen Banken keine CFA- Francs mehr ankauft, schaffen Westafrikas Geschäftsleute jetzt erst recht, wie schon seit einigen Jahren, ihre CFA-Einnahmen so schnell wie möglich nach Frankreich, um sie dort gegen krisenfesteres französisches Geld zu wechseln. Theoretisch könnten sie dann bei einer Abwertung zurücktauschen und einen Reibach machen, praktisch hieße das erst einmal: Kapitalflucht und noch weniger Steuereinnahmen für den Staat. Ein Teufelskreis, aus dem auch Lohnkürzungen à la sénégalaise kaum herausführen.
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