: „Ermutigte“ Lockerbie-Attentäter
■ Libyen will Geheimdienstler nach Schottland ausliefern
Kairo (taz) – Libyen plant anscheinend, die beiden mutmaßlichen Lockerbie-Attentäter auszuliefern. Aus dem libyschen Außenministerium hieß es gestern, man werde die beiden verdächtigen Libyer „ermutigen“, sich einem Verfahren in Schottland zu stellen. Die britische Regierung wollte keine Stellungnahme abgeben, da sie von dem libyschen Angebot nicht offiziell erfahren habe.
Bei dem Bombenanschlag auf einen Jumbo der US-Fluggesellschaft PanAm im Dezember 1988 über dem schottischen Ort Lockerbie waren 270 Menschen getötet worden. Der US-Geheimdienst CIA machte später zwei libysche Geheimagenten für den Anschlag verantwortlich. Der UN-Sicherheitsrat verhängte im April 1992 Wirtschaftssanktionen und ein Luftembargo gegen Libyen, um die Auslieferung zu erzwingen.
Der gestrigen Ankündigung Libyens ging in den letzten Tagen ein Tauziehen zwischen dem schottischen Anwalt der beiden Verdächtigen, Ibrahim Leggwell, und den Regierungen der USA und Großbritanniens voraus. Am Sonntag hatte Leggwell erklärt, seine beiden Mandanten seien bereit, sich einem Gericht in der Schweiz zu stellen. Die Regierung in Tripolis hatte in den letzten Monaten angeboten, den Angehörigen der Opfer Schmerzensgeld zu zahlen.
Am 1. Oktober soll der UN-Sicherheitsrat über eine Verlängerung oder Verschärfung der Sanktionen beraten. Erwogen wird, die libyschen Auslandsguthaben einzufrieren, das Embargo auf Öl- Technologie auszudehnen und den Export libyschen Öls einzuschränken. Um der ersten Maßnahme zu entgehen, soll die libysche Regierung in den letzten Monaten ihre Auslandskonten auf Privatpersonen überschrieben haben.
Die Debatte um die Sanktionen wurde in den letzten Tagen durch eine neue Publikation in den USA angeheizt. Ein ehemaliger US-Geheimdienstoffizier, Lester Coleman, behauptet darin, daß die Libyer unschuldig seien. Die Maschine sei vielmehr in Kooperation des syrischen Geheimdienstes mit einer radikalen palästinensischen Gruppe in die Luft gesprengt worden. Der Anschlag soll nach Angaben des Geheimdienstlers als Rache für den Abschuß eines iranischen Jumbos durch die US-Marine fünf Monate zuvor durchgeführt worden sein. Eine ähnliche Version wurde bereits im April 1992 in der US-Presse veröffentlicht. Karim El-Gawhary
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