: Sie säten Wind, sie ernten Sturm
■ Kündigung der Tarifverträge durch die Metallarbeitgeber löst Sturm der Entrüstung aus / DGB warnt vor "Flächenbrand" / IG Metall schließt Streiks nicht aus / Bangen um den "sozialen Frieden"
Frankfurt (AP/AFP) – Als Gefahr für den sozialen Frieden haben Gewerkschaften die erstmalige Kündigung von Tarifverträgen durch die Metallarbeitgeber verurteilt. Die stellvertretende DGB- Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer warnte vor einem „sozialen Flächenbrand“ und sprach von einer „unheiligen Allianz“ zwischen Arbeitgebern und Bundesregierung. Der designierte IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel schloß Streiks nicht aus. Auch die CDU- Sozialausschüsse warfen den Arbeitgebern vor, den sozialen Frieden zu stören. Die IG Medien meint, Lohnraub sei die offizielle Parole der Unternehmer für die Tarifrunde 1994. Verständnis für die Tarifkündigung äußerte dagegen der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff.
Engelen-Kefer beklagte, daß die Regierung den Arbeitgebern mit den Vorschlägen zur Einführung von Karenztagen und zur Feiertagsgeldkürzung vorangegangen wäre. Dieser „Generalangriff auf die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften“ müsse entsprechend beantwortet werden.
Der Vorsitzende des IG-Metall- Bezirks Küste, Frank Teichmüller, erklärte im Norddeutschen Rundfunk: „Wir werden uns über die Frage Kündigung in der Tarifkommission im November beschäftigen, vorher besteht keine Notwendigkeit, weil der Tarifvertrag bis zum 31. 12. läuft. Die andere Seite macht Kriegsgeschrei bereits weit vor der Zeit.“ Die Arbeitgeber erzeugten damit ein Klima, das „ganz logischerweise, wenn wir uns so verhalten würden wie sie, in einen Arbeitskampf hineinläuft“, sagte Teichmüller.
SPD-Bundesgeschäftsführer Günter Verheugen warf den Metallarbeitgebern vor, „mit ihrer falschen Polarisierung zur falschen Zeit“ den sozialen Frieden zu gefährden. Sie hätten ein Signal der Konfrontation gesetzt. Statt eskalierende Arbeitskämpfe zu provozieren, müßten die Arbeitgeber Bonner Wirtschafts- und Finanzpolitik ins Visier nehmen.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Lambsdorff, wertete den Schritt der Metallarbeitgeber als Beleg dafür, „wie bedrängt die Situation wirtschaftlich ist“. Lambsdorff prophezeite: „Es wird in Deutschland reale Einkommensverluste geben, das ist bitter und unerfreulich.“
Nach den Worten von Arbeitgeber-Präsident Klaus Murmann soll die Kündigung kein Vorbild für die anderen Branchen sein. „Bei mehr als 40.000 Tarifverträgen mag es die eine oder andere Kündigung geben. Das ist aber keine generelle Linie der Arbeitgeber“, sagte Murmann.
Siehe Interview
Kommentar Seite 10
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