: Kreischende Raumfahrer
■ 13 Jahre Teufelsberg-Filmproduktion – Eine Retrospektive im Checkpoint
In einer Zeit, in der Off-Filme wieder zu Kultfilmen werden und kleine Veranstaltungsorte wie das Kreuzberger Super-8-„Quino“ sogar schließen mußten, weil der Zuschaueransturm nicht mehr zu verkraften war, ist es hilfreich, sich noch einmal an verdiente Filmpioniere zu erinnern. Um die Alten zu ehren, die Jungen zu lehren, hat das Checkpoint der Westberliner Teufelsberg-Produktion eine umfangreiche Retrospektive gewidmet.
Ades Zabel, Robert Schneider, Ogar Graefe und die vielen anderen Teufelsberger „Superstars“ und Gäste können mittlerweile auf eine 13jährige Geschichte und elf Filme zurückblicken, die sehr enthusiastisch zwischen Dilettantismus, Alltagsparodie, Travestie, schierem Unsinn, Firlefanz und einer ganz entschiedenen Haßliebe zu den Trivialmythen des Fernsehens herumdelirieren.
Unvergessen ist die zwischen '82 und '83 entstandene „Ropotow“- Trilogie, die in liebevoll gebastelten Interieurs „die Abenteuer des sowjetischen ,Partyraumkreuzers Ropotow‘“ schildert. Auf Ropotow reisen die letzten Menschen in enganliegenden Trikots durchs All. Ab und zu fliegen kleine Gurkenscheibchen in mörderischer Absicht ins Bild; dann kreischen die Raumfahrer affektiert.
Ansonsten wird getanzt, was das Zeug hält. Der Kostüm- und Historienfilm „Bei uns in Hoena“, dessen Requisiten ein bißchen an die Popbasteleien von Jim Avignon erinnern, berichtet von einem bislang unentdeckten Kannibalenstamm in der Südsee, dessen Mitglieder – die Hoenomisten – bis zu 700 Jahre alt werden können. Da gibt es natürlich viel zu erzählen, zumal zwei Abgeordnete des Stammes in einer europäischen Großstadt viel kreischenden Mord- und Todschlag treiben. Manches ist ein bißchen langweilig, und die Schauspieler sind ein wenig zu begeistert darüber, daß sie einen schrägen Film drehen, anderes wiederum ist genial: Wenn es zum Beispiel bei einem Mord an einem Polizisten heißt: „Nicht so spritzen mit dem Blut. Vor allen Dingen nicht an die Tapete.“
Neben der Südsee, Paris („der letzte Film“) und den Weiten des Alls gehört die Liebe der Teufelsberger jedoch in erster Linie „ihrem“ Berlin und seinen Highlights: der Paul-Hertz-Siedlung, dem Tegeler Flughafen und dem Europa- Center. In ihrem 1981 gedrehten Klassiker „Edith Schröder – eine deutsche Hausfrau“, der in der „Paul-Hertz-Siedlung“ spielt, erweisen sie sich als zu allem entschlossene Anti- also Berliner. Edith (Ades Zabel) und Uschi (Ogar Graefe), die Heldinnen des Neubaudramas, führen ein ganz normales Leben. Sie sind stets fröhlich, hassen Ausländer und feiern Partys, bei denen es neben kleinen Sexexzessen und Prügeleien auch zu Hitlergrüßen kommt. Doch als Ediths Tochter als Punkerin nach Hause kommt, drehen sie durch. Die entartete Tochter wird beim Siedlungsschutz („SS“) denunziert und abgeführt, doch auch Edith nimmt kein gutes Ende: Nachdem sie erfahren hat, daß ihr geschiedener Mann keinen Unterhalt mehr zahlen muß, verfällt sie dem Alkohol und wird interniert. Als durchgedrehte Parodie eines Klischees besticht „Eine deutsche Hausfrau“ durch eine trashig-dilettantische Trostlosigkeit, zu der die konsequent miserablen Schnitte und der stets schäbige Ton sehr gut passen.
Mit großer Begeisterung ist zwar auch der 90minütige „Der letzte Film“ (1986) gedreht – es geht um einen schwulen Regisseur und dessen Filmprojekt, viel ausufernde Eifersüchteleien und diverse Morde –, doch zeigt er auch die Grenzen der wilden Teufelsberger Spontanproduktionen: Die durchgängige Parodie und die ziemlich rudimentäre Dramaturgie der melodramatischen Geschichte verhindern irgendwann die Anteilnahme, die nötig ist, um Interesse zu entwickeln. Einzelne Szenen sind zwar großartig; dem Ganzen mangelt jedoch die filmische Sorgfalt, die andere Off-Produktionen wie die von Dagie Brundert zum Beispiel auszeichnen.
Die Stärke der Teufelsberger liegt vor allem im Theatralischen. So treten sie denn auch seit sechs Jahren mit eigenen Live-Shows auf. Wem bei dem Wort „schrill“ nicht schauert (und „schriller“ als die Familie Schmidt sind sie allemal), der sollte sich Edith & Hotte in „Muttis Rache“ nicht entgehen lassen. Detlef Kuhlbrodt
Teufelsberg-Retro ist im Checkpoint, Leipziger Straße 55, Berlin- Mitte, bis zum 6. Oktober, um 20 und 22 Uhr, zu sehen. Heute allerdings schon um 19.30 Uhr.
„Muttis Rache“ jeden Freitag um 21 Uhr ebendort.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen