Gewerkschaften verlieren Einfluß

■ Beim Parteitag der britischen „Labour Party“ hing das Überleben von Parteichef Smith an einem seidenen Faden

London (taz) – Ein Wort beherrschte den Parteitag der „Labour Party“, der in dieser Woche im südenglischen Seebad Brighton stattfand: „Omov“. Hinter der Abkürzung – „Ein Mitglied, eine Stimme“ (One member, one vote) – verbirgt sich ein erbitterter Machtkampf zwischen Parteichef John Smith und zwei der größten Gewerkschaften, den Smith am Mittwoch abend mit Stimmenvorsprung von gerade mal drei Prozent für sich entscheiden konnte.

Ab jetzt sind nur noch Parteimitglieder bei der Aufstellung der Labour-KandidatInnen für die Unterhauswahlen stimmberechtigt. Seit 75 Jahren hatten die Einzelgewerkschaften Blockstimmrecht für ihre heute vier Millionen Mitglieder. Um den Gewerkschaften „Omov“ schmackhaft zu machen, hatte Smith versprochen, daß Gewerkschaftsmitglieder für einen symbolischen Beitrag von drei Pfund im Jahr der Partei beitreten dürfen. Bei der Wahl des Parteichefs und bei Fragen des Parteiprogramms bleibt das Blockstimmrecht jedoch unangetastet. Smith hatte während der Debatte keinen Zweifel daran gelassen, daß seine politische Zukunft von „Omov“ abhänge: „Die Veränderungen, die ich vorschlage, sind lebensnotwendig für unsere Strategie, an die Macht zu kommen.“

Sein Überleben hing am seidenen Faden: Die Gewerkschaft der technischen Angestellten, die eigentlich gegen „Omov“ ist, hatte sich am Nachmittag mit zwei Stimmen Vorsprung für Enthaltung bei der Abstimmung am Abend entschieden, weil in demselben Votum auch über die Quotierung bei den Parlamentssitzen entschieden wurde – und dafür ist gerade die Angestellten-Gewerkschaft seit Jahren eingetreten. Von den 271 Labour-Abgeordneten sind nämlich nur 37 Frauen. Ab jetzt sollen in der Hälfte aller Wahlkreise, in denen der Posten wegen Rücktritt oder Tod des bisherigen Abgeordneten frei wird, Frauen kandidieren. Der getrennte Antrag auf Quotierung für schwarze Parteimitglieder wurde dagegen mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Smith war die Erleichterung anzumerken. Er betonte, daß mit seinem Abstimmungssieg keineswegs eine Schwächung des Gewerkschafteinflusses verbunden sei, sondern die Demokratisierung der Partei. „Wir haben eine klare Entscheidung getroffen“, sagte er, „die Partei geht geeint aus der Abstimmung hervor, so daß wir uns anderen Themen widmen können.“

Von Einigkeit kann vorerst jedoch keine Rede sein, denn auch Bill Morris von der Transportarbeitergewerkschaft, der vehement gegen „Omov“ eingetreten war, reklamierte den Sieg für sich: Sein Gegenantrag, wonach die Gewerkschaften weiterhin eine starke Rolle bei der Auswahl der KandidatInnen spielen sollen, wurde ebenfalls knapp angenommen. Der Parteivorstand erklärte jedoch am Abend, daß „Omov“ Vorrang habe. Morris könnte gegen diese Entscheidung vor Gericht ziehen, was er vermutlich jedoch nicht tun wird. Ralf Sotscheck