Für konkrete Hilfsmaßnahmen „fehlen die Kontakte“

■ Das deutsche Entwicklungshilfeministerium übt sich in Lippenbekenntnissen, die Industrie beobachtet die Entwicklung in Palästina mit vornehmer Zurückhaltung

Carl-Dieter Spranger (CSU), Minister für Entwicklung und Zusammenarbeit, hatte große Pläne. Am 9. September, vier Tage vor dem historischen Handschlag zwischen Jitzhak Rabin und Jassir Arafat, kündigte er „gezielte Hilfsprojekte“ der Bundesregierung im Gaza-Streifen und in Jericho an; gefördert werden solle dort die kommunale Selbstverwaltung der Palästinenser.

Gut zwei Wochen später ist in Sprangers Ministerium der anfängliche Aktionismus verflogen. „Das Ganze wird nicht so heiß gegessen, wie es noch vor einigen Tagen gekocht wurde“, heißt es aus der Presseabteilung. Zwar verweist man stolz auf die 15 Millionen Mark, die das BMZ im laufenden Haushaltsjahr für Projekte wie etwa die Abwasserentsorgung von Hebron, Bethlehem und Ost-Jerusalem aufbringt. Doch existiert diese Hilfe schon seit Jahren. Von aktuell bevorstehenden Hilfsmaßnahmen für Jericho und den Gaza- Streifen weiß man dagegen nichts.

Der für das Ministerium nach Washington gereiste Ministerialdirektor Eberhard Kurth wird wenig Konkretes anbieten können. Für Projekte in den künftig teilautonomen Gebieten fehlten die Kontakte, heißt es. Die PLO sei von der Bundesregierung nicht als Vertretung der Palästinenser anerkannt und somit als Partner ungeeignet.

Eine wichtige Aufgabe werde daher die „die Anpassung des Verhältnisses zur PLO und des Status der PLO-Büros“ in den Ländern der EG sein, sagte am Donnerstag vergangener Woche Bundesaußenminister Klaus Kinkel vor dem Bundestag. Wenige Tage zuvor hatte sein Staatssekretär Kastrup dem PLO-Vertreter in Bonn, Abdallah Frangi, eine Einladung für Jassir Arafat übergeben. Kastrup deutete an, die Bundesregierung erwäge die Einrichtung einer Vertretung in Jericho. Kinkel erklärte, die deutsche Hilfe für die besetzten Gebiete solle möglichst noch im laufenden Jahr erhöht und 1994 „substantiell“ aufgestockt werden. Bei großzügiger Addition fließen im Haushaltsjahr 1993 derzeit 54,1 Millionen Mark in die besetzten Gebiete. Dazu gehören direkte Entwicklungshilfe, Projekte der EG, Zahlungen an das Palästinenser-Hilfswerk der UNO (UNRWA), Ausgaben des Deutschen Roten Kreuzes und Stipendien für palästinensische Studenten. Die deutsche Industrie beobachtet die Entwicklung in Palästina nach anfänglicher Aufbruchstimmung mit Zurückhaltung. Obwohl die PLO in ihrem zukünftigen Hauptquartier in Jericho umfangreiche Telekommunikationsmittel benötigen wird, heißt es beispielsweise bei Siemens: „Das Ganze ist noch zu jung. Zuerst muß die Finanzierung geklärt werden.“ Vor zwei Wochen hatten noch Dutzende Unternehmen ihre Produkte in der Bonner PLO-Vertretung an den Mann bringen wollen. Ein ostdeutsches Unternehmen bot gar „fälschungssichere“ KFZ- Kennzeichen mit den palästinensischen Nationalfarben an. Die Geschäftsleute mußten jedoch einsehen, daß man der fast bankrotten PLO ohne internationale Finanzhilfe nichts verkaufen kann. Thomas Dreger