■ Cash & Crash
: Ein Deutscher in New York

Berlin/New York (taz/dpa) – Seit gestern gibt es in den USA nicht nur die Autos mit dem Stern zu kaufen, sondern auch die Aktien dazu. Daimler-Benz ist das erste deutsche Unternehmen, dessen Aktien an der New Yorker Börse gehandelt werden.

Das größte deutsche Unternehmen verspricht sich gleich mehrere Vorteile vom Einstieg in die New York Stock Exchange (NYSE). Erstens bietet die Wall Street einen Zugang zum wichtigsten Aktienmarkt der Welt und damit zu enormen Kapitalsummen. Daimler-Benz plant eine Kapitalerhöhung; von bis zu drei Milliarden Mark ist die Rede. Die sieben kleinen deutschen Börsen hätten an einer solchen Summe kräftig zu schlucken – die New Yorker Börse bringt drei Milliarden spielend auf.

Zweitens kann ab sofort der Kurs der Daimler-Aktie in der Weltwährung US-Dollar verfolgt werden – ein Bonbon für alle internationalen Anleger. Drittens gilt es als Qualitätsmerkmal einer Firma, einen hohen Anteil ausländischer Aktionäre vorweisen zu können.

Viertens ist die Einführung an der Börse gut fürs Image, ist eine Art preisgünstige Werbekampagne. Die Analysen über Daimler- Benz werden weit über die Wall Street hinaus zum Gesprächsthema in den einschlägigen Finanzkreisen werden, und die US- Presse wird sich wahrscheinlich stärker für ein Unternehmen interessieren, dessen Aktien auch im eigenen Land gehandelt werden. Voraussetzung für den Erfolg dieser Werbekampagne: Daimler muß die geneigte Kundschaft davon überzeugen, daß die Wirtschaftslage rosig ist und die Aussichten für die künftige Entwicklung noch viel besser sind.

Und hier fangen die Probleme an. Die Aussichten sind nämlich mitnichten rosig. Erst kürzlich kündigte Daimler-Chef Edzard Reuter an, daß bis Ende nächsten Jahres 45.000 Jobs gestrichen werden müssen. Im ersten Halbjahr 1993 mußte der Stuttgarter Konzern gegenüber dem Vorjahr einen Gewinneinbruch in Höhe von 852 Millionen Mark hinnehmen; der Umsatz sank um 13 Prozent. Dennoch konnte die Firma auf schwarze Zahlen verweisen: Der Gewinn betrug immer noch 168 Millionen DM.

Aber nur nach deutscher Zählweise. Um an der New Yorker Börse zugelassen zu werden, muß sich Daimler jedoch den deutlich strengeren US-amerikanischen Bilanzierungsvorschriften unterwerfen. Und siehe da, plötzlich wird aus dem Gewinn ein Verlust. Wird die Bilanz nicht mehr mit allerlei Reserven aufgepeppt, was die US-Aufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) verbietet, dann steht Daimler mit 949 Millionen DM Miesen da. Bisher waren sich deutsche Aktiengesellschaften in der Ablehnung der SEC-Vorschriften immer einig gewesen; als „anachronistisch“ wurden die detaillierten Regeln abgetan. Natürlich finden die Manager es fortschrittlicher, auf Bilanzierungsmöglichkeiten zurückzugreifen, mit denen auch in finsteren Zeiten unter den Strich noch schwarze Zahlen hingezaubert werden können.

Reuter kündigte aber an, daß der Konzern trotz nunmehr geröteter Zahlen seine Aktionäre „nicht enttäuschen“ werde. Spätestens 1995 seien wieder Gewinne zu erwarten. Und derweil wolle man die Dividendenzahlung nicht an kurzfristigen Schwankungen nach unten ausrichten. Andernfalls könnte ja den US-Anlegern schon der Appetit vergehen, bevor die Aktienhäppchen aufgetischt sind. lieb