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„Eine politische Luftnummer“

■ Rupert von Plottnitz, Fraktionsvorsitzender der hessischen Grünen, zu Lauschangriff und Innerer Sicherheit

taz: Mit der Hochstilisierung des großen Lauschangriffs zur Gretchenfrage im Themenkomplex Innere Sicherheit hat es die CDU-geführte Bundesregierung verstanden, die SPD in die Enge zu treiben. Scharping droht einzuknicken – nur (noch) die FDP hält in Bonn das Verfassungsfähnchen hoch ...

Rupert von Plottnitz: Der große Lauschangriff ist eine politische Luftnummer, mit der die Bundesregierung ihre Unfähigkeit im Umgang mit dem Problem der Kriminialität kaschieren will. Wo immer es ein Problem gibt, fällt der Bundesregierung – wie in der Asylfrage – nur noch die Demontage von Grundrechten ein. Die Vorstellung, der große Lauschangriff könne als ernst zu nehmendes Rezept gegen die organisierte Kriminalität wirken, ist um so komischer, wenn man sich vor Augen führt, daß es beispielsweise in den USA bereits für 99 Dollar Gerätschaften zu kaufen gibt, mit denen jede Wanze aufgespürt werden kann. Deshalb sage ich klipp und klar: Mit uns wird es eine Zustimmung Hessens zum großen Lauschangriff im Bundesrat nicht geben.

Mit der Ablehnung des großen Lauschangriffs wird es nicht getan sein. Die Bundesregierung bastelt an einem Konzept zur Einbindung der Geheimdienste in polizeiliche Operationsfelder ...

Der Lauschangriff gehört in der Tat zu einem Konzept zur Verbesserung der vielbeschworenen Inneren Sicherheit, an dem um so blindwütiger gebastelt wird, je mehr sein Scheitern offenkundig ist. Wie lächerlich sich Generalbundesanwälte und ihre Ermittlungsbehörden machen können, wenn sie sich ständig vom Verfassungsschutz ins Handwerk pfuschen lassen, haben gerade in Hessen die Vorgänge um den ominösen V-Mann Siggi N. gezeigt. Das gleiche gilt für vieles, was im Zusammenhang mit Bad Kleinen bekanntgeworden ist. Das ganze erbarmungswürdige Schauspiel in Bonn ist ein Programm zur Förderung der inneren Unsicherheit. Obwohl es in diesem Jahrhundert in deutschen Landen nicht nur die Schrecken der Gestapo, sondern bis 1989 in der Ex-DDR auch die Allgegenwart der Stasi gab, scheint das Verfassungsgebot der strikten Trennung von Geheimdienst und Polizei in den Reihen dieser Bundesregierung niemanden zu interessieren.

Daß die organisierte Kriminalität zum Problem für die innere Sicherheit geworden ist, glauben inzwischen auch überzeugte Liberale und Politiker aus dem Lager von Bündnis 90/ Grüne. Wie sehen Ihre Konzepte zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität aus?

Eine Politik, die nach mehr „Waffengleichheit“ für die Polizei ruft, gefährdet den inneren Frieden weit mehr, als sie ihn fördert. Es liegt auf der Hand, daß eine Polizei, die bei der Verfolgung der Mafia tendenziell mit den Methoden der Mafia im Lande herumfuhrwerken kann, das vielbeschworene subjektive Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger kaum stärken wird. Wer es gut meint mit der Strafverfolgung und ihrer Effektivität, der muß im Gegensatz zur Bundesregierung den Rechtsstaat und die Grundrechte endlich wieder als das begreifen, als was sie einst errungen wurden: nämlich als wichtige gesellschaftliche und politische Sicherheitsfaktoren. Im Zentrum der Arbeit der Polizei muß deshalb zuallererst das offene rechtsstaatliche Visier und nicht die Tarnkappe des geheimdienstlichen Dunkelmannes stehen. Geheimdienste und ihre Methoden haben im Bereich der Strafverfolgung nichts zu suchen. Das gleiche gilt für paramilitärische Einheiten wie die GSG 9.

Interview: K.-P. Klingelschmitt

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