: Vorschlag
■ Das Tokyo Ballet mit drei Balletten in der Deutschen Oper
Nach zwei abendfüllenden Balletten von Maurice Béjart verabschiedet sich das Tokyo Ballet bei seinem dritten und letzten Programm ganz klassisch: mit Glitzerdiademen im Haar und goldbetreßten Tutus die Damen, goldbetreßt auch die Herren. Vom Schnürboden hängen gigantische Kristallüster herab — ihnen verdankt das Ballett unter anderem seinen Namen: „Le Palais de Cristal“ (ein Klassiker von Balanchine aus den späten Vierzigern, hier einstudiert von John Tarras; Musik: George Bizet). Rot, blau, grün und weiß sind die Tutus, wie die vier Edelsteine: Rubin, Saphir, Smaragd und Diamant. Ein bißchen kitschig und ein bißchen zu bunt wirkt das heutzutage — und ein bißchen wie Tanzen für den Kaiser. Die gute alte Zeit, im Paris der Nachkriegswirren heraufbeschworen, begeistert aber auch heute noch das Publikum. Die teilweise ungeheuer strengen und kühl-abstrakten Bewegungen wirken wie verläßliche Fixpunkte in unverläßlichen Zeiten, allein, wer dem Guten, Wahren und Abgehangenen nicht ganz so zugeneigt ist, wird es nicht ganz so genießen.
Kühl und abstrakt ging es auch im ersten der drei Ballette des Abends zu — vor allen Dingen aber: schlicht. Felix Blaskas Choreographie zu einem Klavierkonzert von Sergej Prokofjew besticht durch mathematische Figurationen, die durch eine erst spät, aber dann eben doch noch in Gang gesetzte Liebesgeschichte leider an Kraft verlieren. Um Liebe geht es ebenso bei Béjart, der auch an diesem letzten Abend nicht fehlt. Die Liebe findet allerdings nicht statt, es wird nur auf sie gewartet. Auf „Don Giovanni“ (Musik von Frédéric Chopin), auf Don Juan — den Mann ihrer Träume warten die Damen des Corps de Ballet. Aber natürlich warten sie umsonst: Don Juan gibt es nicht mehr. Das hatte schon Shaw in seinem „Man and Superman“ angedeutet, und seit Max Frischs „Don Juan oder die Liebe zur Geometrie“ wissen wir es endgültig — seit inzwischen über vierzig Jahren. Bei Béjart ist allerdings der Traum selbst schon das Eigentliche – vielleicht nicht unbedingt ein origineller Gedanke, aber dafür humorvoll in Szene gesetzt: Ihre Wünsche und Hoffnungen tanzen sich die Damen vor, mit manchmal überraschenden Bewegungsabläufen und mit viel Lust an der Koketterie.
Das Tokyo Ballet spielt heute den letzten Tag. Das Ensemble der Deutschen Oper, das im Austausch derweil in Japan gastierte, kehrt ins eigene Haus zurück. Allerdings demnächst unter neuer künstlerischer Leitung. Peter Schaufuss, künstlerischer Leiter des Balletts, folgt einem Ruf nach Paris. Die stille Hoffnung, Götz Friedrich würde all den Kritiken, Vorwürfen und Klagen, die im letzten Jahr immer lauter wurden, seine Ohren nicht verschließen, hat sich nicht erfüllt. Eine Umorientierung wird es an der Deutschen Oper nicht geben, der Stadt sind weiterhin drei klassisch orientierte Ballettensembles sicher. Im Gespräch ist die Stuttgarter Ballettchefin Marcia Haydée. Immerhin wird Frau Haydée, anders als Maurice Béjart an der Staatsoper, das Ballett der Deutschen Oper nicht als Zweitaufgabe übernehmen, sondern mit Vertragsablauf von Stuttgart nach Berlin überwechseln. Michaela Schlagenwerth
Das Tokyo Ballet: heute noch einmal um 19.30 in der Deutschen Oper, Bismarckstraße 35, Charlottenburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen