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Benazir Bhutto gewinnt in Pakistan

Partei der Ex-Premierministerin erzielt die meisten Stimmen bei Parlamentswahl / Keine Hoffnung auf politische Stabilisierung / Teures Werben um Koalitionspartner beginnt  ■ Aus Islamabad Bernard Imhasly

Die „Tochter des Ostens“ hat es geschafft: Benazir Bhuttos Pakistan People's Party (PPP) konnte bei den gestrigen Parlamentswahlen die meisten Stimmen für sich verbuchen. Allerdings ist jetzt schon klar, daß sie ohne die Hilfe kleinerer Parteien keine Regierung bilden kann, da die PPP nur 86 der insgesamt 217 Sitze im Parlament erzielte. Bhuttos wichtigster Rivale bei dieser Wahl, Ex- Premier Nawaz Sharif, mußte sich mit 72 Mandaten für seine Pakistan Muslim League (PML) zufrieden geben.

Wenn Benazir Bhutto sich bei der ersten Sitzung des Parlaments am 19. Oktober zur Regierungschefin wählen lassen will, muß sie noch eine Reihe Unabhängiger auf ihre Seite ziehen: Dazu gehören die zehn Vertreter der hinduistischen und christlichen Minderheiten und, nach ihrer Wahl durch die Provinzparlamente, zwanzig Frauenvertreterinnen. Für eine „umfassende Reform der Regierung“, die Bhutto versprochen hat, brauchte sie allerdings eine Zweidrittelmehrheit.

Aber auch Nawaz Sharif hat erklärt, daß er Premierminister werden will. So ist für die kommenden Tage ein intensives und teures Werben um die parteilosen Vertreter zu erwarten, da besonders die Abgeordneten aus der Grenzregion zu Afghanistan bekannt dafür sind, daß sie sich ihre Kooperation hoch bezahlen lassen.

Nach Meinung der zahlreichen ausländischen Wahlbeobachter verliefen die Wahlen ruhig und ohne Anzeichen von Wahlbetrug. Trübe Erfahrungen hatte die vom Millitär eingesetzte und keiner Partei verpflichtete Interimsregierung veranlaßt, bereits im Vorfeld ihre Vorkehrungen zu treffen. So waren etwa einige Drogenbarone als Parlamentskandidaten ausgeschlossen worden. Auch Politiker, die ihre Schulden gegenüber staatlichen Finanzinstitutionen nicht bezahlen wollten, sahen sich gesperrt. Am Wahltag überwachten 150.000 Soldaten die Urnen, über 700 Richter führten in sensitiven Wahlkreisen Kontrollen durch.

Frei und fair aber war die Wahl allenfalls für die Hälfte der Wahlberechtigten: die Männer. Frauen sahen sich in vielen Fällen durch ihre Ehemänner und Familien, die dies mit den Regeln des Islam begründeten, an der Stimmabgabe gehindert. Die Wahlbeteiligung betrug lediglich 40 Prozent und lag damit noch fünf Prozent unter dem Rekordtief von 1990.

Die beiden großen Widersacher, Benazir Bhutto und Nawaz Sharif, gewannen beide in ihren Hochburgen im Sind und im Punjab. Aber die ansehnlichen Stimmzahlen ihrer direkten Gegner zeigen, daß das Image von beiden angekratzt ist.

Die niedrigste Wahlbeteiligung wurde in der Provinz Sind registriert, mit einem Anteil von 27 Prozent, der in einzelnen Wahlkreisen auf unter zehn Prozent fiel. Hier wurde das mangelnde Wählerinteresse durch den Wahlboykott der regionalen MQM-Partei verstärkt, die ihre Anhänger vor allem unter der in den letzten Jahrzehnten aus Indien eingewanderten Bevölkerung hat. Nutznießerin wurde die in Sind beheimatete PPP, aber auch die Muslim-League-Fraktion von Nawaz Sharif, die sich damit definitiv als national vertretene Partei etabliert.

Der landesweite Trend zu einem Zweiparteiensystem wurde durch das schlechte Abschneiden anderer Parteien verstärkt. Dies gilt vorallem für die Pakistan Islamic Front, die nur drei Sitze gewann – vorläufig ist der Islam als politische Ideologie in Pakistan noch kein dominanter Faktor. Auch die Herausforderung des Benazir-Bruders Murtaza ist kläglich versandet: In einem der „Familiensitze“ von Larkhana, dem Stammgebiet des Bhutto-Clans, stimmten von insgesamt 200.000 gerade 170 Wähler für ihn.

Der unentschiedene Ausgang der Parlamentswahl gibt nun den Provinzwahlen vom nächsten Samstag ein noch größeres Gewicht. Dies gilt vor allem für den Punjab, das mit zwei Dritteln der Gesamtbevölkerung und als Kornkammer des Landes von entscheidender politischer Bedeutung ist. Beide großen Parteien haben in der Wahl vom Mittwoch gezeigt, daß sie auch hier etwa gleich stark sind.

In den Provinzwahlen dürfte jedoch Nawaz Sharif seinen Heimvorteil besser ausspielen. Dies um so mehr, als ein Sieg in Lahore den Anspruch des Punjabs auf den Sessel des Premierministers stärken dürfte. Dies würde aber gleichzeitig die PPP darauf versteifen, als größte Partei des Landes in Islamabad die Regierung bilden zu können. Damit wäre das Land wieder bei der politischen Konstellation der späten achtziger Jahre angelangt, als sich Benazir Bhutto als Premierministerin und Nawaz Sharif als Chefminister von Punjab gegenseitig weitgehend lahmlegten. Der von beiden Politikern nach dem Wahlausgang vom Mittwoch geäußerte Anspruch für das Premierministeramt als auch der unversöhnlich geführte Wahlkampf zuvor lassen vorausahnen, daß die Stabilisierung der Stimmpräferenzen auf zwei große Parteien nicht bedeutet, daß Pakistans Demokratie damit stabiler geworden ist.

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