Bezirk Pankow über Räumung verärgert

■ Stadträte und Verordnete fordern, Polizeiaktion zu stoppen / Streit zwischen Rollheimern / Demo aufgelöst

Versäumnisse und falsche Versprechungen im Zusammenhang mit der Räumung der Wagenburg Engelbecken haben gestern Stadträte und Verordnete des Bezirks Pankow dem Bezirk Mitte und dem Senat vorgeworfen. Auf Initiative der Fraktion Bündnis 90/Grüne forderten drei Pankower Stadträte gemeinsam mit 27 Verordneten den Abbruch der Polizeiaktion, die bis Redaktionsschluß noch immer nicht beendet war.

Vertreter aller in der Bezirksverordnetenversammlung vertretenen Fraktionen, darunter auch die „Republikaner“, bemängelten, daß das Ersatzgelände in Pankow nicht in einen bewohnbaren Zustand versetzt worden sei. Auch sei mit den dort lebenden Rollheimern nicht abgesprochen worden, daß bei ihnen die Wagen aus Kreuzberg abgestellt würden.

Die Sozialverwaltung wies die Vorwürfe zurück. Noch gestern seien Toilettenhäuschen aufgestellt worden, am Montag komme ein beheizbarer Sanitärcontainer mit Duschen hinzu, sagte Sprecher Wolfgang Zügel der taz. Die Innenverwaltung betonte, daß es mit dem Bezirksbürgermeister im Vorfeld „etliche Gespräche“ gegeben habe. Dies bestätigte auch Rollheimer Werner Hampf, der von der Sozialverwaltung als Vermittler eingesetzt ist. Hampf warf wiederum dem Bezirk Pankow und den Rollheimern der Pankgrafenstraße vor, die sozial schwachen Bewohner des Engelbeckens ausgrenzen zu wollen. Die Wagenburgbewohner in der Pankgrafenstraße hatten die von der Firma ALBA mit Tiefladern herangefahren Bauwagen des Engelbeckens nicht auf das Gelände gelassen.

Gestern nachmittag waren vom Engelbecken noch immer nicht alle Wagen entfernt. Der Polizeieinsatz, an dem vorgestern zeitweise 900 Beamte beteiligt gewesen waren, sei ins Stocken geraten, berichtete Rechtsanwalt Stefan Nowak der taz. Offenbar, weil die Privatfirma ALBA Freitag nachmittags nicht arbeite. Seinen Antrag, die Räumung vorläufig zu stoppen, hatte das Verwaltungsgericht noch am späten Donnerstagnachmittag abgelehnt – das Landgericht hatte ihm stattgegeben, doch Bezirk und Polizei hielten dies nicht für zuständig. Anwalt Nowak legte gestern beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde ein. Bis Redaktionsschluß faßte das Gericht allerdings keinen Beschluß. Das Verwaltungsgericht hatte die Räumung als rechtmäßig und verhältnismäßig beurteilt, weil die Wagenburg baurechtlich nicht genehmigt gewesen und den Bewohnern eine Ersatzfläche angeboten worden sei. Nowak widersprach dieser Auffassung, denn der Senat habe die Verletzung baurechtlicher Bestimmungen vier Jahre lang hingenommen, eine sofortige Räumung sei nicht zu rechtfertigen.

Inzwischen haben sich an das vier Meter hohe Holzkreuz auf dem Engelbecken fünf Bewohner angekettet und sind in den Hungerstreik getreten. Eine Demo von etwa 120 Leuten (Polizeiangabe), die am Donnerstag abend am Oranienplatz starten wollte, wurde kurz darauf aufgelöst. Nach Darstellung der Polizei wurden Beamte mit Steinen beworfen. Gegen sechs Personen sei Strafanzeige erstattet, aber niemand sei festgenommen worden. Dirk Wildt