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30 Jahre Haft für Kinderschänder?

Frankreichs Justizminister will Strafrecht verschärfen / 30 Jahre Mindesthaft für lebenslänglich Verurteilte / Gesetzentwurf folgt auf Empörung über einen Mehrfachtäter  ■ Aus Paris Bettina Kaps

Frankreichs Justizminister Pierre Méhaignerie hat einen Gesetzentwurf vorbereitet, der eine frühzeitige Haftentlassung von Menschen, die wegen Mißbrauchs oder Ermordung von Kindern zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, ausschließen sollen. Sie sollen statt dessen automatisch unter einen 30jährigen Strafzeitraum ohne Bewährung – genannt période de surété – fallen.

Dem Entwurf zufolge sollen bei allen Verurteilungen wegen Kindesmißhandlung in Zukunft Psychiater entscheiden, ob die Strafe gemildert und beispielsweise Freigang erlaubt werden soll. Auch nach 30 Jahren Haft soll der Täter nicht ohne die Zustimmung eines Psychiaters mit einer Strafmilderung rechnen können. Damit soll die Gefahr einer Wiederholungstat vermindert werden. Der dritte Teil des Gesetzes soll Vorschläge machen für die Behandlung der Straftäter in der Haft; dabei räumt sich das Ministerium noch Zeit zum Nachdenken ein, die es aber für die repressiven Teile des Entwurfs offensichtlich nicht brauchte.

Sollte Méhaignerie seinen Gesetzestext durchbringen, wird er die französische Verfassung umgehen, die dem Staatspräsidenten ein uneingeschränktes Begnadigungsrecht verleiht. Zugleich verstößt lebenslange Inhaftierung gegen die europäische Menschenrechtskonvention.

Die spektakulären Umstände, unter denen Méhaignerie seinen Text zusammengeschustert hat, verstärken den Eindruck, daß der Minister eilig einer Volksstimmung nachgeben will: Mitte September war ein achtjähriges Mädchen von einem 41jährigen Mann verschleppt, vergewaltigt und ermordet worden; der Täter hatte schon zwei Gefängnisstrafen wegen zwei Vergewaltigungen und einem Mord verbüßt. Auf Demonstrationen wurde die Wiedereinführung der erst 1981 abgeschafften Todesstrafe gefordert. Nur zwei Tage nach der Ergreifung des Täters kündigte der Minister seine Gesetzesinitiative an. Nicht einmal drei Wochen später liegt sie nunmehr vor.

Die 30jährige Mindesthaft gibt es bereits seit 1986 im französischen Strafarsenal, eingeführt vom damaligen und heutigen Innenminister Charles Pasqua nach einer Welle von Terroranschlägen. Sie war als Ausnahme gedacht, nicht automatisch, wie von Méhaignerie gewünscht, und wurde bisher nur neun Mal verhängt. Die linke Opposition hatte das Gesetz damals kritisiert; als sie 1988 an die Macht zurückkehrte, schaffte sie es jedoch nicht wieder ab. Heute sitzt ein lebenslänglich Verurteilter in Frankreich durchschnittlich 19 Jahre ab – das ist länger als in den meisten europäischen Ländern.

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