: Ein großes Kommen und Gehen
Entwicklungspolitische Institutionen in Berlin sträuben sich gegen einen Umzug nach Bonn / „Föderalismuskommission“ beschließt Ausgleich für Umzug von Ministerien ■ Von Bernd Pickert
Die Halbinsel Reiherwerder am Tegeler See gilt als einer der schönsten Flecken der Stadt. Im gepflegten Park sagen sich allabendlich tatsächlich Fuchs und Hase „Gute Nacht“, und aus den Gästezimmern der Villa Borsig ist ein wunderschöner Blick auf den See zu erheischen. Das Paradies verbirgt sich hinter hohen Mauern und ist für Normal-BerlinerInnen nur bei gelegentlichen Führungen und den sommerlichen „Konzerten am See“ zu betreten. Und dennoch herrscht in den Häusern reges Treiben: Hier sind seit Jahren Verwaltungsgebäude und Tagungshäuser der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung (DSE) untergebracht. Fachkräfte aus Entwicklungsländern, die zur Fortbildung oder zum Erfahrungsaustausch nach Berlin kommen, sorgen dafür, daß die Häuser ständig belegt sind.
Noch. Denn der Bundeskanzler hat Gefallen an der Anlage gefunden. Die „Villa Borsig“ könnte zur Kanzlervilla werden. „Wir wissen nichts Genaues“, sagt zwar der Kurator der Deutschen Stiftung. Aber längst rechnet man in der Stiftung damit, daß die DSE die Villa verlassen muß. Und das nicht nur um des Kanzlers Bequemlichkeit willen.
Nach den bisherigen Plänen sollen parallel zum Regierungsumzug gleich drei entwicklungspolitische Institutionen nach Bonn verlegt werden: Neben der DSE sind das auch noch der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) und das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Das sind die Ergebnisse der sogenannten „Föderalismuskommission“, die sich über Ausgleichsmaßnahmen für das seiner Ministerialbeamten beraubte Bonn Gedanken gemacht hat. Das zuständige Entwicklungshilfeministerium (BMZ) bleibt nach bisheriger Beschlußlage ohnehin in Bonn – was liegt also näher, als die drei Organisationen aus Berlin auch dorthin zu holen und die Stadt kurzerhand zum „entwicklungspolitischen Zentrum“ zu erklären?
Der Haken an der Sache: Keine der Institutionen will an den Rhein. Hans-Helmut Taake, Geschäftsführer des DIE, weiß gute Gründe: Es sei „absurd“, so Taake, wenn Bundeskanzler, Auswärtiges Amt, Wirtschafts- und Finanzministerium, Parlament und sämtliche Botschaften nach Berlin kämen, die Entwicklungspolitik nach Bonn abzuschieben. Das Schlüsselwort heiße hier „Querschnittsaufgabe“: Entwicklungspolitik solle nicht marginalisiert und aus dem Zentrum verdrängt werden, sondern müsse vielmehr stärker noch als bisher in allen Ressorts berücksichtigt werden. In diesem Sinne sei schon der Verbleib des Entwicklungshilfeministeriums in Bonn eine fatale Entscheidung. Das findet auch DED-Chef Willi Erl. Das Ministerium dürfe nicht vom Auswärtigen Amt abgekoppelt werden. Erl vermutet hinter dieser Entscheidung bestenfalls Kurzsichtigkeit, schlimmstenfalls aber eine Tendenz, das Ministerium gänzlich abzuschaffen und als nachgeordnete Behörde etwa beim Wirtschaftsministerium anzusiedeln.
Auch der DED will nicht nach Bonn. Für den Entwicklungsdienst wäre das der zweite große Umzug innerhalb von zwanzig Jahren. Als der DED 1977 nach Berlin kam, gingen etwa 70 Prozent seiner MitarbeiterInnen nicht mit. Dieser Verlust, erklärt Erl, sei besonders fatal in einem Bereich, wo es in besonderem Maße auf die persönlichen Erfahrungen einzelner ankäme. „Wir haben damals viele erfahrene und gestandene Leute verloren.“ Das will Erl nicht noch einmal erleben. Der DED koordiniert von Berlin aus die Projekteinsätze seiner EntwicklungshelferInnen in allen Teilen der Welt. In seinen Gebäuden in Kladow werden auch zukünftige HelferInnen ausgebildet. Und dabei, so Willi Erl, kann der DED auf eine gute Zusammenarbeit sowohl mit den Berliner Universitäten als auch mit in Berlin lebenden AusländerInnen zählen – Bedingungen, die man in Bonn zu verlieren befürchtet.
Auch beim DIE geht man davon aus, daß viele MitarbeiterInnen den Umzug nach Bonn nicht mitmachen würden. Gerade die qualifizierten WissenschaftlerInnen, die beim DIE tätig sind, wollten in der Großstadt bleiben und hätten hier auch gute Berufschancen. „Man müßte das DIE in Bonn quasi neu aufbauen“, orakelt Taake. Dabei stehen die Chancen für den Erhalt des DIE in Berlin noch am besten. Der Standort Berlin ist im Gesellschaftervertrag des Instituts festgeschrieben – und der kann nur geändert werden, wenn alle Gesellschafter zustimmen. Dem Berliner Senat gehören 25 Prozent der Anteile, er hat praktisch ein Vetorecht. Und auch der Senat will nicht, daß das DIE geht. Jürgen Varnhorn, der Leiter der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit, befürchtet einen Schwund an Beratungskompetenz, die das DIE bislang durch Expertisen geliefert habe. Der Senat fördert das Institut mit jährlich fast zwei Millionen Mark. Auch Varnhorn hält es für „Wahnsinn“, das DIE von dort abzuziehen, wo endlich die Bundesregierung hinkomme.
Bei DSE und DED allerdings kann der Senat kaum etwas ausrichten. Auch die Institutionen selbst haben kaum Mitspracherechte. „Wir haben da ohnehin nichts zu sagen“, meint DSE-Kurator Dr. Bühler. Die fast ausschließlich bundesfinanzierten Institutionen müßten sich den Umzugsplänen wohl beugen – wenn nicht noch eine gezielte Lobbyarbeit das Blatt zugunsten Berlins wendet. Inhaltlich vermag niemand die Entscheidung zu rechtfertigen. Ausgleich für Bonn wird gesucht, aber die insgesamt etwa 350 Arbeitsplätze aller drei Institutionen retten die Ökonomie Bonns auch nicht, meint Hans-Helmut Taake.
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