■ Press-Schlag: Tore vor Gericht
Anhaltende Not macht erfinderisch, im Fußball gelegentlich panisch und manche Trainer sogar völlig kopflos. Nicht, daß der Kopf von Christoph Daum beim VfB Stuttgart bereits „gerollt“ wäre, wie man in Fußballerkreisen so schön zu sagen pflegt, aber verloren hat er ihn allemal.
Da hat sein Klub nun wochenlang versierte Winkeladvokaten und Pseudo-Wissenschaftler aller Schattierungen eingesetzt, um zu beweisen, wie entscheidend das 1:0 im Kickerwesen doch sei und daß beim 0:5 in Bremen alles ganz anders ausgegangen wäre, hätte Werders Andreas Herzog nicht dieses vermaledeite, regelwidrige Freistoßtor zur Bremer Führung erzielt. Und was sagt Daum als erstes nach einer weiteren 0:5-Schlappe seines Teams, der in Kaiserslautern nämlich? „Man weiß doch, wie wichtig das 0:2 in einem Spiel ist. Das war klares Abseits.“
Dem DFB steht also die nächste Schwaben-Klage ins Haus und man darf gespannt sein, was sich die Prozeßhanseln vom Neckar wohl danach vornehmen werden. Das 0:5? Oder gar die eigene 1:0-Führung, wegen des fatalen Einschläferungseffektes, mit der kompletten niederländischen Nationalmannschaft von 1974 im Zeugenstand? Oder vielleicht die blödsinnigen Regeln, die es verbieten, des Gegners Beine nach Herzenslust zu malträtieren? „Foulspiel gehört zum Fußball“, ließ Daum nämlich dem Schiedsrichter nach Spielschluß via Medien ausrichten. Der gelb-rote Platzverweis gegen Thomas Berthold wegen wiederholten Tretens sei „viel zu hart“ gewesen. In jedem Fall sollte man sich nicht wundern, wenn künftig nach Toren gegen den VfB sogleich Anwalt Rauball mit einer einstweiligen Verfügung auf den Platz rennt und die Teams in die Kabinen schickt.
Aber nicht nur Daum, auch andere Vertreter des VfB wirken mental etwas ramponiert. „Wenn wir in die untere Tabellenhälfte abrutschen“, warnte Thomas Strunz, „verlieren wir den angestrebten UEFA-Cup-Platz aus den Augen.“ Welche Tabellenhälfte er für den zwölften Rang, den der VfB unter 18 Mannschaften momentan innehat, errechnete, blieb sein Geheimnis.
Selbst Guido Buchwald macht sich seine Gedanken. Als Kapitän ist er für den Kurs zuständig, muß jedoch gewisse Orientierungsschwierigkeiten einräumen. Die Mannschaft fände „nie zum Spiel“. Angesichts des derzeitigen Zustandes des VfB sollte er immerhin froh sein, daß man überhaupt den Betzenberg gefunden hat.
Bündig zusammengefaßt wurde die Darbietung des VfB Stuttgart beim Kuntz- Festival in der Pfalz dann doch wieder von Christoph Daum, der neben dem 0:1, dem 0:2, dem 0:3, dem 0:4 und dem 0:5 schließlich auch seiner Mannschaft eine gewisse Mitschuld an dem Debakel zuwies: „Wir haben im Prinzip völlig versagt.“ Vielleicht sollte er die Spieler ja einfach mal verklagen. Matti
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