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Jelzin in Japan

■ Neue Chancen für Annäherung

Tokio (taz) – Zweimal schon hatte Boris Jelzin seinen Besuch in Tokio abgesagt. Heute aber reist der russische Präsident in einem Augenblick nach Japan, wo er nach der Niederschlagung des Putsches der ganzen Welt seine neugewonnene Autorität und die Stabilität Rußlands unter Beweis stellen will. Um so fraglicher aber ist nun, ob sich für den russischen Präsidenten derzeit auch das andere Ziel seiner historischen Japan-Visite verwirklichen läßt: die Verbesserung der Beziehungen zu Rußlands potentiell wichtigstem Entwicklungshelfer.

Eigentlich sind die Bedingungen dafür günstiger denn je. Japans neuer Premierminister Morihiro Hosokawa will den russischen Präsidenten „mit der angebrachten Gastfreundlichkeit für den ersten Mann eines wichtigen Nachbarlandes“ empfangen. Das ist keineswegs selbstverständlich. Noch vergangene Woche machte die Opposition, bestehend aus den bis zum Sommer regierenden Liberaldemokraten, Jelzin für das Blutvergießen in Moskau verantwortlich. Damit wollte die alte Regierungspartei noch in letzter Sekunde den Besuch des ungeliebten Russen verhindern und erreichte immerhin ein für Jelzin verheerendes Medienecho in Japan. Die von der Opposition orchestrierten Reaktionen belegten, wie hoffnungslos verbarrikadiert die japanisch-russischen Beziehungen vor dem Machtwechsel in Tokio waren. Können Hosokawa und Jelzin nun das Eis zwischen den beiden Großmächten in Asien brechen?

Der Teufel liegt im historischen Detail. Noch immer streiten Tokio und Moskau über den Verbleib von vier Kurileninseln, die Stalin im August 1945 inmitten des japanischen Zusammenbruchs annektierte. Der Territorialstreit hat bis heute einen Friedensvertrag zwischen beiden Ländern verhindert. Tatsächlich ist die Forderung an Rußland zur Rückgabe der Inseln in Japan parteienübergreifender Konsens. Die neue Regierung wird sich daran halten müssen.

Dennoch könnten beide Seiten diesmal zu einem neuen modus vivendi finden. Premier Hosokawa ist offenbar entschlossen, die japanischen Beiträge zur G-7-Hilfe für Rußland zügig abzuwickeln und damit die heimliche Boykottpolitik seiner Vorgänger zu beenden, die Versprechen gaben, aber dafür nie bezahlten. Im Gegenzug will Jelzin einen langfristigen Verhandlungskalender zur Lösung der Kurilenfrage anbieten. Offizielles Ergebnis des Besuches soll eine „wirtschaftliche Erklärung“ beider Länder sein, in der Japan seine Hilfe bei der Entwicklung der russischen Energiewirtschaft, der Umstrukturierung alter Militärbetriebe und der Ausbildung von Managern anbietet. Wenn es Tokio und Moskau damit gelingt, den Territorialstreit endgültig von der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu entkoppeln, sagen Kenner des russisch-japanischen Verhältnisses noch bis zum Jahr 2000 die Unterzeichnung eines Friedensvertrages voraus. Georg Blume

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