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Hamburg als Vorreiter

■ HIV-infizierte Blutkonserven: 79 HamburgerInnen erkrankt / Gesundheitsbehörde dementiert Vorwürfe   Von Sannah Koch

Die Hamburger Gesundheitsbehörde hat mitgezählt: Seit 1984 wurden in der Hansestadt 79 Menschen durch HIV-verseuchte Blutkonserven infiziert. Darunter 54 Bluter, denen der Virus durch Blutplasmapräparate (Gerinnungsmittel) übertragen wurde. Dennoch betonte Behördensprecher Hans-Joachim Breetz gestern gegenüber der taz, die Hamburger Gesundheitsbehörde habe in der Vergangenheit bei der Überprüfung von Blutkonserven bundesweit eine Vorreiterrolle innegehabt.

Ein Dementi auf die jüngsten Veröffentlichungen des Magazins “Der Spiegel“: Dieser bezichtigt die frühere Gesundheitssenatorin Christine Maring und den noch amtierenden Staatsrat Peter Lippert, durch Fahrlässigkeit und „Gesinnungsterror“ die Chance verspielt zu haben, die sich anbahnenden „Aids-Katastrophe“ durch verseuchte Blutpräparate schon 1984 einzudämmen.

Schwere Geschosse gegen die Senatorin und ihren Staatsrat: Nach Aussagen des Magazins haben die beiden dem damaligen Leiter des Hamburger Zentralinstituts für Transfusionsmedizin, Hans Hermann Hoppe, unter Androhung disziplinarischer Maßnahmen untersagt, pauschal „Risikogruppen“ von Blutspenden auszuschließen. Auch hätten sie sich im Oktober 1984 geweigert, den im Hamburger Tropeninstitut erstmalig entwickelten HIV-Test (Immunfluoreszens-Test) flächendeckend zur Kontrolle von Blutkonserven einzusetzen. Dadurch seien noch ein halbes Jahr länger verseuchte Blutkonserven auf den Markt gelanget.

„Von einer Weigerung kann keine Rede sein“, so Behördensprecher Breetz gestern. Zwar sei dieser Test damals in Hamburg entwickelt worden, sei aber zu diesem Zeitpunkt weder zugelassen noch erprobt noch auf dem Markt erhältlich gewesen. Daher habe die Gesundheitsbehörde damals auch nur einem „Pilotprojekt“, der Überprüfung von 10.000 Blutkonserven, zugestimmt. Allerdings habe man bereits im März 1985 den „sichereren und praktikableren“ Elisa-Test eingeführt – „ein halbes Jahr früher als die anderen Bundesländer“, wie Breetz betont.

Stolz ist man in der Hamburger Behörde auf die „liberale Aids-Politik“ – die sei auch Ursache für den Clinch mit Hoppe gewesen. Denn der habe damals „Riskogruppen“, wie Schwule und Schwarzafrikaner, generell von Blutspenden auschließen wollen. Eine Ausgrenzungspolitik, die nicht auf der Linie der Senatorin und des Staatsrats gelegen habe. Breetz zu der angeblichen Androhung von Disziplinarmaßnahmen gegen den Leiter des Zentralinstituts: „Da hat es damals sicher harte Kämpfe gegeben.“

Vorreiter, so die Gesundheitsbehörde, spiele Hamburg jetzt auch bei der vielfach geforderten „Quarantänelagerung“ von Blutkonserven. Die Lagerung ist nach Ansicht von Experten erforderlich, weil das HIV-Virus bei einer frischen Infektion des Blutspenders nicht nachweisbar ist. Daher werden im Hamburger Zentralinstitut seit Juni Konserven erst freigegeben, wenn der Spender sechs Monate später immer noch ein negatives HIV-Testergebnis nachweisen kann.

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