: Neues Atomforschungsprojekt in Jülich
Siemens plant eine Versuchsreihe für einen neuen Siedewasser-Reaktor / Wird deswegen der Hochtemperatur-Reaktor von Hamm-Uentrop nicht wie geplant abgebaut? ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Der Siemens-Konzern plant nach Informationen der grünen Landtagsfraktion in Düsseldorf „ein experimentelles Großprojekt für zukünftige nukleare Siedewasser-Reaktoren“ in der Kernforschungsanlage (KFA) in Jülich. Bei dem Projekt „SWR-600“ soll in der KFA ein Notkondensator zur Verringerung der Kernschmelz-Wahrscheinlichkeit getestet werden.
Die Düsseldorfer Landesregierung hatte in den letzten Jahren immer versichert, keine neue Atomforschung zuzulassen. Das Land hält zehn, der Bund 90 Prozent der KFA-Anteile. Im zuständigen Wissenschaftsministerium gab es gestern keine eindeutigen Antworten zur Wiederaufnahme der Atomforschung. Nach Informationen der Grünen hat jedoch das Bundesministerium für Forschung und Technologie zusammen mit Siemens „massiven Druck auf die KFA-Geschäftsleitung“ ausgeübt, das Projekt in Jülich durchzuführen. Für die Atomlobby scheinen die Experimente von zentraler Bedeutung zu sein. Man erhofft sich davon wesentliche Erkenntnisse zur Entwicklung eines vermeintlich „inhärent“ sicheren Atomreaktors, der die bestehenden Typen ablösen soll. Auf einen solchen Atomreaktor, der selbst bei einem Super-GAU keine Radioaktivität in die Umwelt abgäbe, setzen auch maßgebliche SPD-Politiker wie der Düsseldorfer Chef der Staatskanzlei, Wolfgang Clement.
Die Experimente sollen in dem Gebäude stattfinden, das derzeit noch eine Anlage zur Simulation der Brennelemente-Entladung im stillgelegten Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop beherbergt. Der entsprechende Vertrag mit der KFA läuft zum Jahresende aus. Nach dem ursprünglichen Zeitplan sollte das Hammer Atomkraftwerk längst leer sein. Tatsächlich befinden sich die meisten der hochradioaktiven Graphitkugeln wegen zahlreicher Schwierigkeiten aber nach wie vor im Kern des Reaktors. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Manfred Busch, sieht deshalb eine geordnete Stillegung „gefährdet“. Nach seinen Informationen hat sich die Betreibergesellschaft noch im Oktober vergeblich um den weiteren Erhalt der Versuchsanlage, die nach Darstellung des Düsseldorfer Wirtschaftsministeriums „nicht mehr erforderlich ist“, bemüht. Dieser Wunsch habe aber mit der Stillegung des Hochtemperatur-Reaktors „nichts zu tun“. Alle notwendigen Experimente seien seit „mehr als einem Jahr abgeschlossen“. Es gehe um ein „Dokumentationsinteresse“ und um „hypothetische Berechnungen“. Eine Entscheidung über den Erhalt des Versuchsmodells sei „noch in der Schwebe“.
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