: Schüsse auf Rushdie-Verleger
■ Norwegischer Herausgeber der „Satanischen Verse“ in Oslo schwer verletzt
Oslo (AP/dpa/taz) – Drei Kugeln trafen gestern den norwegischen Verleger William Nygaard und verletzten ihn schwer. Der 50jährige gab die norwegische Ausgabe von Salman Rushdies „Satanischen Versen“ heraus. Nach Angaben der Polizei wurde er beschossen, als er am Morgen in Oslo vor seiner Wohnung in sein Auto steigen wollte. Mindestens eine Kugel habe ihn in den Rücken getroffen. Die Täter konnten unerkannt entkommen. Nach einer Notoperation bezeichneten die Ärzte Nygaards Zustand gestern abend als ernst, aber nicht lebensgefährlich.
Der Verleger und die Übersetzerin der „Satanischen Verse“, Kari Risvik, hatten nach dem Erscheinen der norwegischen Ausgabe im Jahr 1989 wiederholt Morddrohungen erhalten. Ein Sprecher der iranischen Botschaft hatte damals erklärt, beide seien von der von Ajatollah Khomeini gegen Rushdie und das Buch verhängten Fatwa unmittelbar betroffen. Später war diese Stellungnahme von den iranischen Diplomaten wieder zurückgezogen worden. Risvik und Nygaard hatten damals zeitweise Polizeischutz bekommen.
Rushdie ließ gestern verlauten, er sei von dem Attentat „tief erschüttert“. Eine Sprecherin des Komitees zur Verteidigung Rushdies sagte in London: „Er ist sich sehr wohl bewußt, daß der Anschlag eigentlich ihm gegolten hat.“ Rushdie lebt seit Verhängung der Todesdrohung im Februar 1989 in wechselnden Verstecken. Die norwegische Polizei konnte gestern keine Angaben zu einem Zusammenhang zwischen dem Anschlag und Rushdie machen.
Seit Erscheinen der „Satanischen Verse“ sind zwei Anschläge auf Übersetzer des Buches verübt worden. Am 11. Juli 1991 wurde der Japaner Hitoshi Igarashi von Unbekannten erstochen. Eine Woche zuvor war der Italiener Ettore Capriolo bei einem Attentat schwer verletzt worden.
Hinter den Anschlägen wird der iranische Geheimdienst vermutet. Auch die Morde an dem geistlichen Oberhaupt der sunnitischen Muslime in den Beneluxstaaten, Abdullah al-Adhel, und dessen Bibliothekar im März 1989 in Brüssel sollen auf das Konto der iranischen Führung gehen. Al-Adhel hatte öffentlich den Mordaufruf scharf kritisiert.
Am 2. Juli brannte in der Türkei eine aufgebrachte Menschenmenge unter islamistischen Parolen ein Hotel nieder, wobei 36 Menschen ums Leben kamen. Zu den Teilnehmern an dem dort stattfindenden Kulturkongreß gehörte auch der Schriftsteller und Herausgeber der Zeitung Aydinlik, Aziz Nesin. Seine Zeitung hatte zuvor Auszüge aus den „Satanischen Versen“ veröffentlicht.
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