: Unterm Strich
Auf der Buchmesse fragte uns ein Kollege von einem rheinisch-katholischen Wochenblatt mit Hinweis auf Herrn Steffen Heitmann, der an diesem Tag die Titelseite dieser unserer linksalternativen Tageszeitung (taz) verschandelte: „Kann man den noch irgendwie verhindern?“ Was uns einigermaßen stutzig machte, denn wir waren – wie üblich überdurchschnittlich gut unterrichtet – längst über solche kleinlichen Befürchtungen hinaus. Wir waren nämlich am Titanic- Stand gewesen (Titanic – Sie wissen schon, dieses Satireheftchen a.D., heute verdientes Kampfblatt des Scheißliberalismus). Dort wirkte während der Messetage das „Komitee für kompetente Demokratie“ zum Wohle des Ex-Fallschirmspringers, Ex-Bildungs- und Ex-Wirtschaftsministers und – last but not least – Ex-Einkaufswagenersatzchipschlüsselanhängererfinderbruders Jürgen W. Möllemann. Und zwar recht erfolgreich: „Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse unterstützten knapp 1.000 Besucher die Kandidatur Jürgen W. Möllemanns zum Bundespräsidenten mit ihrer Unterschrift. Damit steht fest: Kein anderer Kandidat genießt bei den Deutschen so viel Vertrauen wie Möllemann. Jetzt ist Kanzler Kohl gefordert, seinen Scheinvorschlag Steffen Heitmann zurückzuziehen und Jürgen W. Möllemann zu bitten, offen seine Kandidatur zu erklären. Wenn das Ansehen unserer freiheitlichen Demokratie nicht weiter beschädigt werden soll, ist es endlich an der Zeit, zu handeln. Die Wahlkampfzeitschrift Jürgen W. Möllemanns, Titanic, wird ihre Arbeit für den einzig qualifizierten Kandidaten in den nächsten Wochen noch verstärken.“
Nicht von den Titanic-Kollegen unterstützt, die sich ja auch nicht um jeden Dreck kümmern können, ist die geniale konzertierte Aktion der Berliner Boulevardbühnen: Die haben nämlich, um dem Hauptstadtbeschluß den nötigen Druck zu geben, gestern eine Mauer um ihre Häuser gebaut. Kann es ein Zufall sein, daß parallel dazu die Kollegen von der ernsten Muse, die Berliner Bischöfe Sterzinsky (kath.) und Kruse (ev.) an die Bonner appellieren, „den Hauptstadtbeschluß zügig umzusetzen“? Vorsicht, die Herren! Wenn sich erst einmal herumgesprochen hat, daß Ihre Läden auch zum staatlich subventionierten Tingeltangel gehören, erwischt womöglich die nächste Bühnenschließung einen von Ihnen!
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