: Athen: Alte Gesichter in neuer Regierung
■ Papandreou will wegen Korruption verurteilten Ex-Minister rehabilitieren
Berlin (taz) – Der Leibarzt wird Gesundheitsminister, der Sohn Staatssekretär im Außenministerium und ein Vetter der Ehefrau Staatssekretär im Kulturministerium. In seinem gestern vereidigten Kabinett hat der neue griechische Regierungschef Andreas Papandreou jede Menge Vertraute um sich geschart. Bei den Wahlen am Sonntag hatte seine „Panhellenische Sozialistische Bewegung“ (Pasok) mit 46,8 Prozent der Stimmen die konservative Regierung abgelöst. Neben den Angehörigen ziehen vor allem Veteranen aus den sozialistischen Regierungen der Jahre 1981 bis 1989 in die Ministerien ein. Einzige Frau in der Männerriege ist wieder die Ex- Filmschauspielerin Melina Merkouri als Kulturministerin.
Außenminister wird Karolos Papoulias, langjähriger Vertrauter von Pasok-Chef Papandreou. Seine Position zu der seit Monaten von Griechenland verhinderten Anerkennung Makedoniens ist zwar noch offen. Doch hat Papandreou schon vor den Wahlen erklärt, daß er gegenüber „Skopje“ einen pragmatischen Kurs fahren will. Ähnlich wie Griechenland dies früher mit Israel tat, will Papandreou jetzt Makedonien zwar nicht formal anerkennen, jedoch normale wirtschaftliche Beziehungen dorthin pflegen. Den „Falken“ in der Pasok, die von der Oppositionsbank aus sogar mit militärischen Schritten gegen den Nachbarstaat drohten, wies Papandreou nachgeordnete Ministerien zu.
Die beiden Schlüsselressorts in dem ärmsten EG-Mitgliedsland, das Wirtschafts- und das Finanzministerium, vereinigte Papandreou in der Hand seines Freundes Georgios Gennimatas. Der stellvertretende PASOK-Chef Akis Tsohatzopoulos wird neuer Innenminister, und Verteidigungsminister wird wieder Gerrassimos Arsenis.
Siegesgewiß kündigte Papandreou an, daß er seinen Ex-Finanzminister Dimitris Tsovolas, der wegen seiner Verwicklung in den größten griechischen Finanzskandal im Januar 1992 zu zwei Jahren Haft verurteilt worden war, rehabilitieren wolle. Die frühere griechische EG-Kommissarin, Vasso Papandreou hingegen, bekommt keinen Posten. Die Sozialistin wurde zwar von über 200.000 AthenerInnen gewählt und erhielt damit mehr Stimmen als irgend jemand sonst, doch hat sie mehrfach das Wirtschaftsprogramm von Papandreou kritisiert.
Hohe Erwartungen richten die Unterstützer eines inhaftierten Anarchisten an die neue Regierung. Nodas Skiftoulas war von den Konservativen zum Staatsfeind aufgebaut worden. Ex-Ministerpräsident Konstantin Mitsotakis hatte den Soziologielehrer im Parlament als „Terroristen“ bezeichnet. Zweimal wurde Skiftoulas verhaftet. Beim ersten Mal wegen Beteiligung an einem Attentat der bewaffneten Organisation „17. November“. Als der einzige Augenzeuge sich plötzlich nicht mehr sicher war, setzte ihn der Untersuchungsrichter auf freien Fuß. Vor zwei Monaten kam Skiftoulas erneut in Haft. Dieses Mal wegen Beteiligung an einem Attentat der „ELA“. Und wieder gibt es einen Augenzeugen, der sich nicht mehr ganz sicher ist. Vor 23 Tagen trat Skiftoulas in den Hungerstreik. Zahlreiche Prominente, auch Mitglieder der neuen Regierung, haben seine Freilassung gefordert. Noch in der vergangenen Woche besuchte Merkouri ihn im Krankenhaus. Angehörige erwarten jetzt seine Freilassung. Dorothea Hahn
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