: Ein Laden, der wenig beliebt ist
Heute wollen mehrere linke Gruppen einen angeblichen Treffpunkt von Rechtsextremisten in Pankow blockieren / Inhaber gibt sich unpolitisch: „Ich mach' hier primitive Marktwirtschaft“ ■ Von Severin Weiland
Der Laden, das ist auf den ersten Blick zu erkennen, wird von manchen Menschen nicht geliebt. Das Namensschild „No Remorse“ zieren zerplatzte Farbeier, das Ladenfenster schützen Spanplatten. Erst vor drei Wochen, so erzählt Inhaber H., hätten sie ihm die Scheibe eingeschlagen. Der 24jährige und sein Partner, mit dem er seit zwei Jahren das Geschäft in der Tiroler Straße in Pankow führt, sind solche Angriffe mittlerweile gewöhnt. Steine, Säureattentate, eine persönliche Attacke, die Liste ist lang. Im November letzten Jahres sei ihr Wagen in Flammen aufgegangen, dabei habe es auch noch den Wagen eines Nachbarn erwischt, erzählt der Ostberliner.
Ein Treffpunkt der Rechtsextremisten sei „No Remorse“, sagen die Linken, und deshalb wollen sie heute nachmittag den Laden symbolisch blockieren. Aufgerufen hat dazu ein Pankower Aktionsbündnis, darunter die AG Junge Genossen der PDS, der Bund der Antifaschisten, Jugend gegen Rassismus in Europa (JRE), die PDS-Bezirksorganisation sowie die Jusos.
„Wir sind kein Fascholaden“, wehrt sich hingegen H., der seine längeren Haare hinten zu einem kleinen Knoten zusammengebunden hat. Auf den ersten Blick wirkt „No Remorse“ reichlich unspektakulär: Boots, grüne und schwarze Bomberjacken werden angeboten, T-Shirts mit den knalligen Emblemen von Hard-Rock-Gruppen hängen an der Wand. Darunter ist sogar das Motiv einer Faust, die ein Hakenkreuz zerschlägt. Tarnung, Kalkül? Denn an der Wand hinter H. hängen ganz andere Aufnäher: die Preußenflagge, Deutschland in den Grenzen von 1937, Motive rechtsradikaler Rockgruppen wie Störkraft, Werwolf, Kahlschlag. Im Karton wird das Doppelalbum „Glatzenparty“ der rechten Gruppe „Endstufe“ angeboten.
„Ich mache hier primitive Marktwirtschaft, was nachgefragt wird, biete ich an“, weicht H. jeder Frage nach politischen Motiven aus. „Indiziertes Zeug“, beteuert er, führe er nicht.
Bei der Senatsverwaltung für Jugend ist „No Remorse“ nicht bekannt. Drei bis vier Läden, so der Beauftragte für Jugendschutz, Thilo Geisler, kenne man als Treffpunkte für rechts eingestellte Jugendliche in Ostberlin, bei denen auch schon mal unter der Theke CDs und Platten mit gewaltverherrlichenden Texten angeboten würden.
Die Rechtslage bietet nur wenig Handhabe, gegen solche Treffpunkte vorzugehen, einem Ladeninhaber Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz nachzuweisen ist schwierig: „Manche Gewerbetreibende behaupten dann einfach, die Jugendlichen hätten sich in ihrem Laden nur getroffen, um Platten untereinander auszutauschen.“ Geisler ist kein Freund von Verboten. Indizierungen von Platten seien nichts mehr als „symbolische Handlungen“, die rechte Rockgruppen letztlich nur aufwerteten.
Für H. und seine Freunde ist der heutige Freitag jedenfalls schon verplant. „Wir werden nicht dasein, ein Kumpel von uns heiratet“, sagt er, „ich habe keine Lust, den Helden zu spielen und mir den Schädel einschlagen zu lassen.“ Den Schutz des Ladens überlasse er „sehr gerne den Bullen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen