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Geldstrafe für Zivilcourage

■ Pädagogin griff bei Zivi-Einsatz gegen Vietnamesen ein

Polizisten, gegen die wegen Körperverletzung ermittelt wird, werden fast nie bestraft. Anders im umgekehrten Fall: Von Polizisten angezeigte Bürger werden wegen Kleinigkeiten gnadenlos verfolgt. Auch, wenn es gute Gründe für das „rechtswidrige Betragen“ gibt.

Gestern wurde eine Diplom-Pädagogin vom Moabiter Amtsgericht wegen Beleidigung von Polizisten zu 560 Mark Geldstrafe verurteilt. Die 50jährige Barbara T. hatte nach Überzeugung von Amtsrichter Amtor im vergangenen Mai am S-Bahnhof Frankfurter Allee drei Zivilbeamte als „Idioten“ beschimpft. Die Begründung der Angeklagten hatte den Einzelrichter offensichtlich nicht interessiert. Sie sei mit dem Fahrrad von der Arbeit gekommen und habe am S-Bahnhof Frankfurter Allee einen Mann gesehen, der auf einem am Boden liegenden Vietnamesen kniete und diesen traktierte, so Barbara T. Derweil habe eine danebenstehende Frau dem Vietnamesen die Zigaretten weggenommen. „Für mich“, so die Angeklagte, „sah das Ganze wie ein Raubüberfall aus.“

Weil keiner der vielen Schaulustigen Anstalten zum Eingreifen machte, habe sie sich eingemischt. „Unter Duldung von Publikum passieren Ausländern ja die schlimmsten Dinge“, begründete sie ihr Handeln. Auf ihre Frage, was los sei, habe ihr die Frau entgegnet: Sie solle sich nicht einmischen, das sei eine Festnahme. Daß eine Festnahme so brutal erfolge, so die Angeklagte, „habe ich einfach nicht geglaubt“. Erst beim Eintreffen von Polizeiwagen „begann ich langsam zu checken“. An den Gebrauch des Wörtchens „Idiot“ könne sie sich nicht erinnern, wolle diesen aber auch nicht ausschließen.

Bei Barbara T.s Kritik an dem Verhalten der Polizisten bekam Amtsrichter Amtor fast einen cholerischen Anfall: „Dann sind sie (die Vietnamesen, d. Red.) weg, wenn ich sie nicht gleich packe“, rief er mit hochrotem Kopf und ballerte seine Faust auf den Tisch. Kurz darauf zeigte sich jedoch, daß die Kritik vollkommen berechtigt war. Eine als Zeugin vernommene Polizistin erklärte, ihre Kollegen würden „selten“ bei solchen Einsätzen verletzt: Die Vietnamesen seien meistens friedlich. Danach rang sich selbst der Staatsanwalt zu einem Freispruch-Plädoyer durch: Barbara T. habe sich in einem Irrtum befunden und Nothilfe gegen ein vermeintliches Unrecht leisten wollen. Doch Amtsrichter Amtor spielte nicht mit: „Auch einen Räuber darf man nicht mit Idiot beleidigen.“ Zudem habe die Angeklagte spätestens bei ihrem Satz: „Ihr habt kein Recht dazu“, gewußt, daß sie es mit Polizisten zu tun hatte. Plutonia Plarre

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