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Kriegsdienstgegner zwischen Zyperns Fronten

■ Beim Prozeß im türkischen Teil Nikosias droht Salih Askerogul Gefängnis

Berlin (taz) – Salih Askerogul war neun Jahre alt, als 1974 der Zypernkrieg begann. Seither lebt der heute 28jährige türkische Zypriot mit der „grünen Linie“ und der Mauer, die seine Insel in eine türkisch bewohnte Republik im Norden und eine griechische im Süden teilen. Da Salih Askerogul weder gegen seine griechischen Inselnachbarn noch gegen irgendwen sonst mit der Waffe kämpfen will, verweigerte er den Kriegsdienst. Ende September gab er sich in einer Pressekonferenz als erster Kriegsdienstverweigerer seines Landes zu erkennen und sprach sich für die „Wiedervereinigung“ aus. Heute wird ihm vor einem Militärgericht in Nikosia der Prozeß gemacht. Dafür, daß er der Einberufung nicht Folge leistete und daß er abfällige Reden gegen den Militärdienst hielt, drohen ihm jeweils bis zu drei Jahren Gefängnis.

Salih Askerogul hatte sein Land, wo es kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung und keinen Zivildienst gibt, bereits 1989 – nach Beendigung seines Studiums – verlassen. Auf dem Umweg über London floh er in den Süden Zyperns, wo er prompt als „Türke“ argwöhnisch beäugt wurde. Als er sich auch noch in die griechische Zypriotin Yiota Nikolaoy verliebte und diese schwanger wurde, war es ganz aus. Der erzürnte Vater der jungen Frau drohte, die beiden umzubringen, und die griechisch- zypriotische Polizei verstärkte ihre Schikanen gegen den vermeintlichen Agenten.

Im Februar dieses Jahres floh das Paar nach Nordzypern. Es geriet vom Regen in die Traufe: Kaum angekommen, wurde Yiota Nikolaoy, die „Griechin“, argwöhnisch beäugt und Salih Askerogul zum Militärdienst einberufen. Seit er sich im September selbst outete, sitzt der junge Mann in Haft. Seine Partnerin und das neugeborene Kind wurden in den Südteil der Insel abgeschoben. Die Sprecherin der Unterstützerkampagne für den Kriegsdienstverweigerer, die Schriftstellerin Nese Yasin, kam für einige Tage in Haft. Andere türkisch-zypriotische Unterstützer von Salih Askerogul werden rund um die Uhr von der Polizei bewacht, Am Wochenende schließlich verwüsteten Polizisten einen linken Buchladen, der als Treffpunkt bekannt war.

Doch der Kriegsdienstverweigerer Salih Askerogul ist nicht allein. Die Menschenrechtsorganisation „amnesty international“ hat zu einer urgent action zu seinen Gunsten (Protestbriefe an die türkisch-zypriotische Regierung und das türkische Verteidigungsministerium) aufgerufen. Aus verschiedenen europäischen Ländern sind Pazifisten zu dem Prozeß nach Nikosia gereist. Und auf der geteilten Insel Zypern hat Askeroguls Geschichte die erste Solidaritätsbewegung über die „grüne Linie“ hinweg ausgelöst. Dorothea Hahn

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