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Preußische Reformer oder Kriegshelden?

■ Vorbereitungen für Einweihung der Neuen Wache abgeschlossen / Was geschieht mit Scharnhorst und Bülow?

Die von dem Bildhauer Harald Haacke fünfmal vergrößerte Skulptur „Trauernde Mutter mit totem Sohn“ von Käthe Kollwitz ist fertig, die umstrittene Inschrift „Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ auf dem Sockel eingraviert. Bis zum Volkstrauertag am 14. November kann beides im Kollwitz-Museum in der Fasanenstraße besichtigt werden, von da an in der Neuen Wache, der „Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik“. Alle Proteste gegen die gleichmacherische Inschrift und den „Blow up“ der Kollwitzschen Intimfigur haben nichts genützt. Die Bundesregierung hat entschieden und wird am vorgesehenen Termin Kranzschleifen vor Inschrift und Pieta ordnen.

Bei der heftigen Debatte über die Rekonstruktion des von Tessenow 1931 neugestalteten Innenraums der Neuen Wache und die Reaktivierung als gesamtdeutsches Ehrenmal ist bisher ein Aspekt wenig beachtet worden: die Frage, ob die zwei Denkmäler preußischer Militärs – Feldherr Bülow Graf von Dennewitz und Stratege Gerhard von Scharnhorst – wieder links und rechts dicht neben der Neuen Wache aufgestellt werden sollen, dort, wo sie von 1822 bis 1948 auch standen. Die Figur Bülows befindet sich seit der Demontage in einem Depot, die Scharnhorst-Statue, die seit 1963 neben der Oper stand, liegt wegen witterungsbedingter Schäden seit 1990 in einer Restaurierungswerkstätte in Weißensee. Im Dezember wird sich das Stadtforum mit der politischen Ikonographie Unter den Linden beschäftigen.

„Wir wollten die Diskussion um die Gedenkstätte von der um die Wiederaufstellung der beiden Figuren abkoppeln“ sagt Gabi Dolff, Denkmalpflegerin, „damit kein Bonner Politiker auf die Idee kommt, sie aus Zeitgeistgründen im Depot zu lassen.“ Was not tue, sei eine breite Diskussion über Bülows und Scharnhorsts Bedeutung für den Deutschen Nationalstaat, der zum Zeitpunkt der Denkmalaufstellung „noch als leuchtende Utopie vor Augen stand“. Zusammen mit der Statue des Freiherrn von Stein und der Erinnerung an von Hardenberg seien die beiden Symbole des preußischen Reformwesens.

Eine Sichtweise, die der für die Skulpturen zuständige Leiter des Referats Gartendenkmalpflege beim Senat, Klaus von Krosigk, teilt. Er möchte die Figuren wieder am alten Platz sehen. „Sie stehen nicht für den preußischen Militarismus, sondern für die Befreiungskriege.“ Erst Scharnhorsts Militärreform habe die Voraussetzung geschaffen, um die französische Fremdherrschaft loszuwerden. Krosigk, der sich auch für die Pflege sowjetischer Ehrenmäler einsetzt, ist generell gegen das „Abräumen“ von Denkmälern und erst recht gegen deren opportunistische Vereinnahmung.

Seine Meinung steht im schärfsten Gegensatz zu der des Stellvertretenden Direktor des Deutschen Historischen Museums, Dr. Hinz. Genau wie Kohls Statthalter für die Neue Wache, Christoph Stölzl, will er „nicht, daß die Figuren jetzt aufgestellt werden“. Begründung: „Sonst würde sich der militärische Aspekt bei der Gedenkstätte“ zu sehr in den Vordergrund drängen, und dies würde in der „Öffentlichkeit für Mißverständnisse sorgen“.

Von „Mißverständnissen könne keine Rede sein, meint hingegen Christine Fischer-Defoy, Sprecherin des Aktiven Museums. Sie ist „unbedingt“ für die Wiederaufstellung der Figuren. Denn nichts „würde die Verlogenheit, die mit der Kollwitz-Figur passiert ist, mehr entlarven als die Aufstellung der Symbole des preußischen Militarismus“. Aus der Kollwitz-Figur habe man schon ein „Kriegerwitwendenkmal“ gemacht, „und was paßt dazu besser als eben Kriegerdenkmäler“. Anita Kugler

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