: Langfinger bei der Treuhand?
Durchsuchung bei Thyssen wegen vermutlichen Milliardenbetrugs an der Treuhand / Treuhanddirektor unter Verdacht ■ Aus Berlin Annette Jensen
„Es besteht der Verdacht, daß der AHB Metallurgiehandel ausgehöhlt wurde zugunsten von Thyssen oder von einigen Mitarbeitern dort“, begründete ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft gestern die Durchsuchung von 34 Firmen- und Privaträumen am Vortag. Entgegen ersten Angaben gehe es dabei möglicherweise um einen Schaden für die Treuhand in zweistelliger Milliardenhöhe. Ermittelt werde wegen Untreue. Grundstücke sollen in den Jahren 1990 und 91 zu billig verkauft und Treuhandgelder veruntreut worden sein. Einzelheiten der möglichen Schieberei waren gestern nicht zu erfahren.
Die Pressestelle der Berliner Polizei teilte mit, daß auch ein Treuhanddirektor verwickelt sei, der seine Kompetenzen überschritten habe. Die Breuel-Behörde war über diese Meldung verärgert: Sie habe keine Hinweise auf eine Unredlichkeit des Mitarbeiters und fände es im übrigen unerträglich, daß wegen des schwebenden Verfahrens nur Informationsbruchstücke an die Öffentlichkeit dringen könnten.
Fest steht, daß der Düsseldorfer Thyssen-Konzern im Dezember 1990 mit der Treuhand einen Geschäftsbesorgungsvertrag über den AHB Metallurgiehandel geschlossen hat. Bis 1995 sollte der Westkonzern die ehemalige DDR-Handelszentrale für Metall abwickeln. Nach Angaben der Polizei wurden die Geschäftsanteile der Treuhand kostenlos auf die Thyssen-Handel Berlin übertragen.
Schon ein knappes halbes Jahr vorher hatte Thyssen mit dem DDR-Betrieb eine Vereinbarung über die Gründung des Thyssen Schulte Werkstoffhandels (TSW) getroffen — „ein ganz toller Laden“, wie sich ein Thyssensprecher gestern ausdrückte.
Die TWS führt heute einen großen Tätigkeitsbereich des alten DDR-Kombinats weiter — Lagerhaltung und Vertrieb auf dem Gebiet der Ex-DDR. Nach Angaben der Polizei aber wußte die Treuhand von den „Vereinbarungen und Zahlungsflüssen“ im Vorfeld des Vertrags nichts.
Vom AHB-Metallurgiehandel, der inzwischen Metallurgiehandel GmbH heißt und in der Berliner Brunnenstraße ansässig ist, ist nicht mehr viel übriggeblieben. Von den einst über 3.300 Mitarbeitern arbeiten noch etwa 30 in dem Abwicklungsbetrieb. Thyssen hat nach eigenen Angaben etwa 1.800 Leute übernommen.
Die Treuhand hat inzwischen den Vertrag mit Thyssen über die Abwicklung des Metallurgiehandels gekündigt. Es seien erhebliche Probleme mit Thyssen aufgetreten, hieß es. Der Thyssensprecher gab sich darüber verschnupft: „Es trifft eines der aktivsten Westunternehmen in Ostdeutschland.“
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