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Sprung zu den Reichen

Schon zehn Millionen Besucher haben die Weltausstellung im südkoreanischen Taejon besucht  ■ Von Georg Blume

Tokio (taz) – Für das bereits zur Science-fiction-Stadt erkorene Taejon war der letzte Sonntag ein Festtag wie kein anderer zuvor: Der zehnmillionste Besucher betrat die südkoreanische Weltausstellung unter dem Titel „Wege der Entwicklung“. Damit war das Planziel der Organisatoren bereits drei Wochen vor ihrem Ende am 7. November erreicht.

Auf einmal schien sich alles gelohnt zu haben: der 93 Meter hohe Turm, das Wahrzeichen der Ausstellung, der, bis zur Spitze bestiegen, den Weg von der Vergangenheit bis ins 21. Jahrhundert weist; oder die sieben Meter hohe Rakete der Sangdong-Industriegruppe, die wirklichkeitsgetreu das erste koreanische Weltraumabenteuer nachempfinden läßt. Volle 3,2 Milliarden Mark ließen sich die südkoreanische Regierung, Unternehmen und Teilnehmerländer den High-Tech-Schnickschnack zur technophilen Erziehung der Südkoreaner kosten. Die Botschaft von Taejon hatte der südkoreanische Staatspräsident Kim Young Sam schon bei der Eröffnung im August verkündet: „Es gibt gar keinen Zweifel: Wir werden in der Rangliste der entwickelten Nationen einen großen Sprung nach vorne schaffen.“

In der Tat bezweifelt kaum jemand, daß die Südkoreaner auf dem besten Weg sind, noch in diesem Jahrhundert die Reichen dieser Erde einzuholen. Aber brauchen die auch nicht mehr sorgenfreien Ostasiaten dafür eine Weltausstellung? „Zu einer Zeit, in der sich Südkorea in der Rezession befindet, sollte nicht so viel Geld verschwendet werden“, kommentiert Kim Sung Shik, Volkswirt beim Lucky-Goldstar-Wirtschaftsinstitut in Seoul. Südkoreanische Kritiker werfen den Organisatoren von Taejon vor, auf teure und fragwürdige Art und Weise den Erfolg der Olympischen Spiele in Südkorea 1988 imitieren zu wollen.

Doch die Befürworter halten dem entgegen, daß Japan mit Olympia 1964 und der Weltausstellung 1970 in Osaka auf gleichem Wege sehr erfolgreich war. Soll nicht auch das aufgeputzte Taejon mit seinen 1,2 Millionen Einwohnern einst dem japanischen Vorbild in Tsukuba gleichen, der Universitäts- und Wissenschaftsstadt nördlich von Tokio, die schon heute die Spitzenkräfte aus aller Welt anzieht?

Von den hehren Zielen der Ausstellungsväter haben die vielen Kinder und Jugendlichen, die seit Wochen das Ausstellungszentrum in Taejon belagern, freilich wenig vernommen. Sie interessiert mehr der pfeifende Autoroboter oder ein „Mister Christopher“, der ihnen als neuer Heiliger im Reich der Technologie gepriesen wird. „Mister Christopher schützt uns, wenn wir in Korea Auto fahren“, freut sich ein kleiner Junge, der die Dinge noch beim Wort nimmt. Die wirtschaftsliberale Far Eastern Economic Review hat das futuristische Heilsverkünden kommentiert: „Mister Christophers Botschaft lautet: Technologie wird uns vor uns selbst schützen, wenn auch wir den Industriellen gehorchen.“

Kritische Töne sind auch im deutschen Pavillon in Taejon zu vernehmen, wenngleich hier die Zahl der Besucher mit 1,6 Millionen die Erwartungen von einer Million Gäste heute bereits weit übertrifft. „Der Andrang ist forciert. Einer muß den anderen drücken“, stellt Dieter Nossbach, deutscher Ausstellungsleiter im Auftrag der Kölner Messe-Tochter ISC fest. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die große Überzahl wird aus Schulen und Betrieben per Bus angekarrt und schreitet in der Gruppe das Gelände ab. Nossbach hat errechnet, daß auf dem 901.000 Quadratmeter großen Gelände bei durchschnittlich 205.000 Gästen am Tag dem einzelnen noch etwa viereinhalb Quadratmeter zur Verfügung stehen. Kein Wunder also, wenn in Taejon alle Schlange stehen, während die internationalen Aussteller befürchten, daß von ihren ausgetüftelten Themen wenig vermittelt wird.

Tatsächlich geht es auch der südkoreanischen Regierung, die mit 1,6 Milliarden Mark den Löwenanteil der Ausstellungskosten trägt, in Taejon weniger um eine inhaltlich korrekte Dokumentation neuester Technologien oder gar ihrer weitreichenden Implikationen für Natur und Umwelt, die darzustellen sich immerhin die deutsche Ausstellung bemüht. Vielmehr soll den Südkoreanern, allen voran den Schulkindern, ein für allemal eingehämmert werden, daß Roboter und Raketen ihnen eine goldene Zukunft verheißen. Das Anliegen erscheint nicht ganz hoffnungslos: Südkorea liegt bei der Produktion der im Technologiezeitalter überlebenswichtigen Speicherchips heute bereits vor Deutschland.

Auf nicht einmal hunderttausend schätzt der deutsche Ausstellungsleiter die bisherige Zahl ausländischer Gäste in Taejon. Dabei wurden anfangs 500.000 Ausländer erwartet. Allerdings war Südkorea den meisten Ländern ein Engagement wert: Mit der Beteiligung von insgesamt 108 Nationen stellte Taejon einen neuen Organisationsrekord auf. Auch das war freilich eine Finanzfrage: In Südkorea überließ die Regierung den Ausländern kostenlos die Ausstellungspavillons. „In Taejon erhielt das deutsche Pavillon 7,5 Millionen Mark aus Bundesmitteln“, berichtet Ausstellungsleiter Nossbach. „In Sevilla mußte der Bund mehr als zehnmal soviel investieren“. Darin aber liegt der Unterschied zwischen Spaniern und Südkoreanern: Die einen haben die Welt schon erobert, die anderen wollen es heute noch tun.

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