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Kino zum Frühstück

■ Lauter Sub-Genre im Alabama jetzt auf Kampnagel

Seit über einem Jahr floß kein Blut mehr über die Leinwand des Alabama in Eidelstedt, wo in der Gore Night das Kettensägenmassaker dräute, ganze Nächte lang das Raumschiff Orion herumflatterte oder „Sexfilme von Frauen“ das Publikum erregten. Das alte Alabama ist tot – es lebe das neue Alabama: Heute um 18 Uhr geht's in der ehemaligen Halle „Helga“ der Kampnagel-Fabrik los mit dem Film Das Hochzeitsbankett.

Der Weg zur Neueröffnung war beschwerlich. Noch im August bewirkte die Bezirksversammlung Nord einen Baustopp. „Auf Druck der Kulturbehörde ist der Bau dann aber doch genehmigt worden“, berichtet Jack F. Kurfess, Kaufmännischer Geschäftsführer der Kampnagel Fabrik. Rund eine halbe Million Mark hat der Umbau gekostet: Eine ziemliche Menge Kohle für die fünf Betreiber, denn von der Kulturbehörde gab's noch keinen Zuschuß, wenngleich für dieses Jahr noch 70.000 Mark vorgesehen sind. „Wir müssen eben alle noch woanders arbeiten“, erklärt Michael Conrad, Mit-Betreiber des Alabama. Das Kino bleibt reine Leidenschaft und Hobby.

Die Projektoren nahm man aus Eidelstedt mit, alles andere ist nigelnagelneu. 160 Plätze hat das neue Kino, das auch einen Stehbereich mit Tischen bietet. Auch Videofilme können gezeigt werden. „Wir wollen ein offenes Programm anbieten“, sagt Doris Bandhold, eine von der Alabama-Fünfer-Bande. Neue und alte Ideen sollen für das wirtschaftliche Vorankommen sorgen: Frühstückskino ist geplant, natürlich kommt auch die Gore Night wieder und neu ist die Black Box: Mit Filmen, Musik und zeitgenössischer afroamerikanischer Dichtung will das Kino mehr bieten als nur Filmvorführungen.

„Ich weine dem alten Alabama eigentlich keine Träne nach“, sagt Michael Conrad, der das Eidelstedter Kino 15 Jahre lang betrieb. Das Gebäude sei immer baufälliger geworden, das Publikum habe sich im Laufe der Zeit geändert. So sei immer mehr Mainstream gefragt gewesen. „Ich bin es einfach leid, Independent Filme aus dem Ausland zu besorgen, um sie dann vor nur einem Zuschauer zu zeigen“, so Conrad. Doch der Kino-Fan hat auch schöne Erinnerungen an das alte Filmtheater: „Vor wenigen Jahren besuchte uns im Rahmen einer Fassbinder-Reihe der Schauspieler Kurt Raab im Alabama, das hat mich wirklich sehr gefreut.“

Besonderes Eröffnungs-Bonbon ist der Bundesfilmpreis-dekorierte Film Langer Gang von Yilmaz Arslan, der als exklusive Erstaufführung am Freitag im Alabama startet. Er schildert den Alltag behinderter Kinder und Jugendlicher in einem Reha-Zentrum. Der dokumentarische Spielfilm zeigt die Einsamkeit, Traurigkeit und Gewalt der Heimbewohner, die sich in ihrer Ohnmacht Schwächere als Opfer aussuchen. Den engagierten Film über ein schwieriges Thema wollte in Hamburg kein Kino ins Programm nehmen, also ein klarer Fall fürs Alabama, oder wie es Michael Conrad beschreibt: „Wir sind eben so 'ne Art Sub-Genre-Kino.“Andrew Ruch

Alabama, Telefon: 27 40 27.

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