: Geheimwissenschaft aus USA
■ Antidiskriminierungs-Training per Rollenspiel überzeugte Bremer Honoratioren nicht
Helga Trüpel, Senatorin für Ausländerintegration, will den BremerInnen Toleranz und Respekt gegenüber ihren Mitmenschen beibringen. In den USA scheint es dafür ein wahres Wundermittel zu geben: ein Antidiskriminierungs-Training mit dem Namen „a world of difference“, übersetzt als „Leben in einer Welt der Vielfalt“ .
Entwickelt hat das Programm die Anti-Defamation- League in den USA. Diese jüdische Organisation kämpft seit 80 Jahren gegen den Rassismus. Grundidee: Nur gegen rassistische Vorurteile anzugehen, hat wenig Sinn, Vorurteile überhaupt sind zu bekämpfen. Das hört sich gut an, fanden rund 60 BremerInnen aus Konsulaten, der Bundeswehr von Bildungseinrichtungen, Großbetrieben und Verbänden und folgten der Einladung der Senatorin.
Doch die meisten verließen die Informationsveranstaltung in der Pause enttäuscht: Zu abstrakt blieb die Vorstellung des Trainingsprogramms. Manchen kam es wie eine Geheimwissenschaft vor. „Dilettantisch“, fand einer die Veranstaltung gar. Man habe eine große Chance verpaßt. Denn eingeladen hatte die Senatorin, um Mitglieder für einen Unterstützungsverein zu werben und Spenden zu sammeln.
Nur soviel verstand man von dem Trainings-Konzept, daß die Teilnehmenden zum Beispiel in Rollenspielen und Phantasiereisen sich als Diskriminierende und Diskrimierte erfahren und sich ihrer Vorurteile bewußt werden. Nur, so fragten mehrere in der Runde, Rollenspiele und Phantasiereisen seien ja nichts Neues, würden auch jetzt schon im Unterricht und anderswo eingesetzt . Wieso also solle dieses Konzept zum Erfolg führen? Darauf gab es vom Europabeauftragten der Organsiation, Robert Goldmann, nur diese Antwort: Das Programm habe sich innerhalb von acht Jahren in 30 Städte der USA verbreitet, mehrere Hunderttausend Menschen seien geschult worden, LehrerInnen, StudentInnen, PolizeibeamtInnen usw.
Eines aber sagte Goldmann deutlich: Die Anti-Defamation- League trete gegenüber deutschen Städten nicht als amerikanischer Lehrer auf. Vielmehr habe man dieselben Probleme; Juden und Deutsche müßten also zusammen weiterkommen in der „Bekämpfung des Virus“.
Während am Dienstag zum erstenmal eine breitere Bremer Öffentlichkeit von dem Anti- Diskriminierungs-Training erfuhr, hatten Helga Trüpel, Vertreter des Bildungsressorts und in der Bildung Tätige schon seit Januar mit Goldmann über die Einführung des Programms in Bremen gesprochen. Trüpel interessiert sich für das Programm auch besonders deswegen, weil damit nicht nur SchülerInnen, sondern auch ganz andere Alters-und Bevölkerungsgruppen angesprochen werden könnten. In Bremen und Berlin fanden kürzlich erste Trainingswochen statt — in Bremen im Wissenschaftlichen Institut für Schulpraxis mit 13 Teilnehmenden, vorwiegend LehrerInnen. Diese Trainingswochen mit sogenannten MultiplikatorInnen sollen genügen, daß diese auch ihre Schulkinder trainieren können.
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat Unterstützung zugesagt. In Bremen steht ein behördenunabhängiger Trägerverein kurz vor der Gründung, Kontaktperson ist Elvira Noa (Tel: 361 65 29 oder 35 68 42). Mit den Vereinsbeiträgen soll die Verwaltungsarbeit finanziert werden, Schulungshonorare und die Umarbeitung des amerikanischen Materials müßen durch Spendengelder finanziert werden. Die Vereinsliste jedoch wurde am Dienstag abend von Hand zu Hand weitergereicht, nur wenige unterschrieben. cis
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