■ Das Portrait
: Michael Allcock

Steuerfahnder machen selten Schlagzeilen. Bei Michael Allcock ist das anders. Der 43jährige Jaguarfahrer gehört nämlich der Sondereinheit Zwei an, die im Londoner Geschäftsviertel die dicksten Fische jagt. Allcock und seine neun Kollegen treiben jedes Jahr etwa 150 Millionen Pfund Steuern ein. Dafür bekommen sie ein Gehalt von umgerechnet knapp 10.000 Mark im Monat. Allcock hat sich den Ruf eines Trüffelschweins erworben, weil er Steuerhinterziehung scheinbar riechen kann. Das ist jetzt vorbei. Der Steuerfahnder muß sich wegen passiver Bestechung verantworten. Vielleicht aber auch nicht.

Allcock hat sich in seinem Heimatort Colchester in der Grafschaft Essex mit ungewöhnlichen Methoden hochgearbeitet. So kaufte er sich in den siebziger Jahren bei einem chinesischen Imbiß eine Mahlzeit, zerlegte sie zu Hause in ihre Bestandteile und rechnete die Gewinnspanne aus. Wenige Tage später flatterte dem verblüfften Besitzer der Imbißbude eine Steuernachforderung ins Haus. Nach diesem Fang wurde er zu der Sondereinheit in Southwark befördert und stieg dort schließlich zum Chef auf. Sein Übereifer Britischer Steuerfahnder

wurde Allcock schließlich zum Verhängnis. Sein größtes Projekt war die Londoner Börse. Bei seinen Ermittlungen stieß Allcock auf einen Kabinettsminister, einen berühmten Börsianer und den irakischen Geschäftsmann David Shamoon. Das Trüffelschwein konnte Shamoon nachweisen, daß er in England einen Wohnsitz hatte und deshalb dort steuerpflichtig war. Dennoch ließ der erbarmungslose Fahnder Gnade vor Recht ergehen und beriet Shamoon sogar in Steuerangelegenheiten, weil er mit dessen Hilfe an weit größere Betrüger herankommen wollte, behauptet Allcock. Im Zuge dieses Handels reiste er nach Marbella zu Shamoons zweitem Wohnsitz – auf dessen Kosten. Obwohl diese Praxis offenbar üblich ist und sowohl Allcock als auch Shamoon jede Bestechung weit von sich wiesen, wurde Allcock am 28. Juli verhaftet, doch am nächsten Tag wieder freigelassen. Bis heute gibt es keine konkreten Beweise gegen ihn. In diesem Monat muß Generalstaatsanwalt Nicholas Lyell sich entscheiden, ob er Anklage wegen Korruption erheben will. Doch der Staatsanwalt weiß, daß irgendwo in Allcocks Akte auch der Name des Kabinettsministers schlummert. Ralf Sotscheck