: Georgiens Kommandeure streiten um die Macht
■ Interne Auseinandersetzungen schwächen die Armee / GUS-Beitritt beschlossen
Kutaissi (AFP/AP/taz) – Zum ersten Mal seit langem meldeten die georgischen Regierungstruppen gestern einen ernsthaften Erfolg: In einer großangelegten Offensive eroberten sie die von Rebellen des Ex-Präsidenten Swiad Gamsachurdia besetzte Schwarzmeer-Hafenstadt Poti zurück. Das berichtete die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das georgische Innenministerium. Die Regierungseinheiten sollen auch die Städte Choni und Lantschuti westlich von Kutaissi wieder in ihrer Gewalt haben.
Das ändert aber nichts daran, daß die Anhänger des früheren georgischen Präsidenten Gamsachurdia nach wie vor vor den Toren der strategisch wichtigen Großstadt Kutaissi stehen. Und die Soldaten des Verteidigungsministers Georgi Karkaraschwili sind immer noch vorwiegend mit sich selbst beschäftigt. So wies der georgische Staatschef Schewardnadse am Dienstag erneut darauf hin, daß der Verteidigungsminister der alleinige Oberkommandeur der Streitkräfte ist. In Kutaissi jedoch muß Karkaraschwili sich mit Dschaba Iosseliani auseinandersetzen. Iosseliani betont, daß Karkaraschwili nur für die Leitung der Operationen im engeren Sinn zuständig ist, während er selbst als Präsident des staatlichen Komitees für den Ausnahmezustand für die militärische Gesamtlage verantwortlich sei. De facto würde dies bedeuten, daß der Minister Iosseliani untersteht.
Iosseliani ist zugleich Kommandeur der Mchedrioni, der „Ritter“. Diese zwischen 1.000 und 2.000 Mann starke Truppe hat innerhalb der nur knapp 5.000 Mann starken Regierungsarmee großes Gewicht. Ein westlicher Diplomat erklärte nach einem Treffen mit dem Generalstab in Kutaissi allerdings, daß die Einheiten der Armee sich inzwischen auf eine Koordinierung geeinigt hätten; die Rückeroberungen sind möglicherweise ein Ausdruck davon.
Probleme gibt es bei der Armee auch mit dem Nachschub. Einer der Kommandanten der Mchedrioni räumte ein, im Gebiet um Kutaissi befänden sich nur 2.000 Regierungssoldaten, was eine leichte zahlenmäßige Überlegenheit der Rebellen bedeuten würde. Nur ein kleiner Teil der von Schewardnadse angekündigten Verstärkungen aus der Hauptstadt sei eingetroffen, kritisierte der Oberst. Die vorhandenen Soldaten vergeudeten Zeit mit dem zermürbenden Warten auf versprochene Ausrüstung. Die Truppen der Swiadisten gelten dagegen als hoch motiviert, auch ihnen fehlt es jedoch an Ausrüstung. Einsatzfähige Fahrzeuge sind knapp, so daß die Rebellen zu Fuß ihre Angriffsziele erreichen müssen.
Der UN-Sicherheitsrat forderte am Dienstag alle Staaten auf, den Abchasen keine Waffen zu liefern. In einer einstimmig verabschiedeten Resolution wurde die „territoriale Unversehrtheit“ Georgiens unterstrichen. Unterdessen hat Schewardnadse erneut an Rußland, Armenien und Aserbaidschan appelliert, die Regierungstruppen zu unterstützen. Diese scheinen jedoch allenfalls bereit, die Eisenbahnverbindung vom Schwarzen Meer nach Tbilissi zu verteidigen, da diese auch für die Versorgung von Jerewan und Baku von Bedeutung ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen