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■ Urdrüs wahre KolumnePoche, du Lebkuchenherz!

Für gebeutelte Eltern, die ihrer Brut derzeit freimarktmäßig die Markstücke gleich rollenweise ausliefern müssen, damit sich die junge Generation an Losbuden, Waffelhäuschen und Luftballonständen mit Dinos in allen Varianten zum Schlecken,Knuddeln, Fliegenlassen eindecken kann, verheißt das Gemeinschaftszentrum Obervieland jetzt Hoffung. Ab 18. November läuft dort an vier Donnerstagen der Workshop „Wie bastle ich mir meinen Dinosaurier selbst“. Max Reinhardt aber sagte einst so: „Wer dem Publikum immer hinterherrennt, sieht am Ende doch nur dessen Arsch“.

Daß die hochspekulative Waller Handballdame Volker Brüggemann und ihr Patachon Eddy Birr wieder auf freiem Fuß sind, läßt hoffen: Vielleicht können die beiden ja mal die schmucken Spendierhosen anziehen zur Rettung von Ernst-Waldau-Theater, Kunsthalle und Filmförderung. Um ein paar übers Ohr gehauene Molkereibesitzer oder Zahnärztinnen soll es uns dann nicht weiter leid tun.

Die Interessengemeinschaft Deutscher Hundehalter veranstaltet am kommenden Freitag beim Bremer Tierschutzverein einen Vortrag mit Urs Ochsenbein von der Chappi-Hundeschule, und am Tage drauf haben die hiesigen Halter von Pekinesen, Mastinos und anderen Kläffern Gelegenheit, mit dem Urs aus Zürich kostenlose Übungen zum Hundeknigge zu absolvieren, damit der Hund „sich richtig verhält und ein liebenswerter sowie gern gesehener Partner des Menschen ist“. Wenn bei dieser Gelegenheit auch noch der Einstieg in die Resozialisierung des typisch pervertierten Gröpelinger Hundefreunds mit Flachmann und knarrendem Walkman gelänge – glatt würde mich die Chappi-Botschaft der Liebe erreichen.

Man kann sich seine Kombattanten im heiligen Krieg selten aussuchen. Brigittegitte Dreyer aber sollte als amtliche Pornojägerin der Landeszentrale für politische Bildung zumindest wissen, daß sie im Kampf gegen Schweinkram aus der Kulturabteilung der Angestelltenkammer nicht allein steht. Die machtvolle Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger AUB konstatiert: „DGB kennt keine Hemmungen“ – und sieht bewiesen, daß „in unverantwortlicher Weise Millionenbeträge in bankrotte Bildungsfirmen und in Kunst und Kultur bis hin zu Pornofilmen geflossen sind“. Kunst und Kultur bis hin zu Pornofilmen. Tjaja – der Weg vom Kruzifix zum Schweinkram hat gerade mal die Länge eines Lendenschurzes.

Wo aber bleibt das Positive? Es begegnet uns derzeit in der reschen Gestalt jeder verantwortungsvollen Bierzapferin, Grillmamsell und Mandelrösterin auf dem Freimarkt, blickt uns an aus den seelenvollen Augen des Losverkäufers und Karussellbetreibers. Die Existenz solcher Menschen will Claus Jäger nun auch noch mit seinem Granitweg über die Bürgerweide zerstören, dutzendfach und kalten Unverstands. Heiße Wut fordert bereits, den Senator als Liebesapfel zu kandieren, wenn sein Lebkuchenherz nicht endlich pochen will. Werden's also wenigstens vernünftig, Herr Claus! Ulrich Reineking-Drügemöller

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