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Durchs DröhnlandMusik wie Wasser in den Ohren

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

So was kommt dabei raus, wenn die Polizei nicht rechtzeitig durchgreift: Anstatt besetzte Häuser in der Tucholskystraße zu räumen, sehen unsere grüngewandeten Freunde seelenruhig zu, wie dort sogar Tonstudios installiert werden. Und auch dem wirksamsten Druckmittel des Kapitalismus, dem Geldmangel, begegnen die dortigen Musikanten erfolgreich. Anstatt klein beizugeben, veranstalten die Bands der Tucholskystraße einfach ein Benefiz, um sich die eigenen Taschen zu füllen und künftig keine Banken mehr ausrauben zu müssen. Als da wären Big Mo's Mushroom, die sich weniger pilzig als vielmehr freundlich zähflüssig anhören, Engine 54 mit hyperventilierendem Ska, Herr Röhlinger und die Quermanns mit wohl witzig gemeintem Siebziger-Scherben-Polit-Quäl, Keli Mutu Breakdown mit Irgendwie-Weltmusik-Geblubber, und vor allem Bert'z Rache, deren Stumpfpunk nicht weiter der Rede wert wäre, wenn sie nicht jenem letzten großen melancholischen Dulder der Gegenwart ein Denkmal setzen würden. Mit „dicken schwarzen Kunstfaseraugenbrauenbalken“ und „Polyesterhaarbüschel“ auf der Gummiglatze huldigen sie auf „BERTes-Dienstes“ dem wahren Helden der „Sesamstraße“. Heil ihnen! Damit viel Geld zusammenkommt, wird auch der (möglicherweise) künftige Bundespräsident präsentiert, ein „metro-politisches Kunstschleudern“ veranstaltet und sich alles in einer „duften Jubel-Party“ auflösen.

Am 22.10 um 19 Uhr in der Parochialkirche, Klosterstraße 67, Mitte

Sowas von Understatement ist schon wieder süß: „Unsere Texte sind sicher nicht besonders politisch korrekt, sondern im besten Fall menschlich“, sagt der Sänger von ...But Alive. Aber, Markus (denn so heißt der Mann), was ist denn dann p.c., wenn nicht Eure Texte? Konsequente Verweigerungshaltung, das nächste, aber nichtsdestotrotz genauso notwendige klare Wort zu oft beschriebenen Mißständen, die deutliche Absage an kahlrasiertes Gedankengut. Auch wenn sich inzwischen viele darin üben, es bleibt weiterhin unabdingbar. Und die vier Hamburger verabreichen zudem dem musikalisch ziemlich abgewirtschafteten deutschen Politpunk die bitter nötige Frischzellenkur: schnell und trocken, mit HipHop-Einflüssen, nicht matschig auslabernd, sondern salatknackig auf den Punkt gespielt. Das Beste, was im Moment an deutschem Hardcore zu haben ist – und definitiv ausreichend p.c.

Am 22.10 um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Es wird der Abend des gekleckerten Klangs. Nur mal hingetupft und wieder gegangen – das war's. Dabei sind die Cranes auf ihrer letzten Platte schon wesentlich, ja, woll'n mal sagen: verdaulicher geworden. Die Geschwister Alison (Gesang) und Jim (Schlagzeug) Shaw hatten auf ihren ersten Veröffentlichungen Musik gemacht wie Wasser in den Ohren nach dem Baden: Man hört nicht viel, und es drückt. Keine Songs, sondern nur Atmosphäre, und die war immer schwerblütig. Doch inzwischen sind sie für ihre Verhältnisse fast fröhlich geworden und schrieben hin und wieder sogar ein echtes Lied. Der durchgehende Alptraum Cranes ist etwas gelockert worden, aber da sind ja auch noch Slowdive. Und die sind zwar musikalisch dichter, soll heißen, sie packen einfach mehr Töne in weniger Zeit, aber Melancholie ist auch hier ein viel zu harmloses Gefühl. Hektik ist ein Zustand aus einer anderen Dimension und vor allem so wunderwunderschön getragen, daß sich selbst atonal kreischende Gitarren wie von Frau Holle geklopfte Samtkissen anhören. Leute, die heute ihren letzten Selbstmordversuch planen, sollten den vielleicht noch bis morgen früh verschieben.

Am 22.10. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Da wird Punkrock nicht gespielt, sondern noch gearbeitet. Ehrlich und kraftstrotzend, zum Kopfschütteln und Mitgrölen, immer puff-paff, aber (Achtung Rüge!) viel zu lange Soli. Das müßt Ihr ändern, Freunde von Drunken Wolf, und dann könnt Ihr es nahe an die Vorbilder ranschaffen. Viel Glück. Und Tschüß.

Am 23.10. um 22 Uhr im K.O.B.

Die Ökorocker sind wieder da. Und auch wenn einem die großmächtig vorgetragene Attitüde zu greenpeacig war, eine gute Gitarre spielten Midnight Oil allemal. Auch wenn die Australier die Aborigine-Instrumente nur dezent in ihren 08/15-Rock einbauten, trugen sie doch hübsch plakativ das Engagement für die Ureinwohner vor sich her. Und die Videos, in denen die Wüste mit der Sängerglatze verziert wurde, waren fast so gut wie ihre Live-Auftritte. Ganz sicher eine der wenigen Rockbands, bei denen man auch in großen Hallen noch in der letzten Reihe den Schweiß auf der Bühne tropfen sieht.

Am 27.10. um 20 Uhr in der Deutschlandhalle, Messedamm, Charlottenburg

Wenn etwas in der Geschichte der populären Musik endgültig zu Ende geht, kann man das meist an immer denselben Symptomen erkennen wie z.B. Live-Platten (am besten doppelte). Wenn sich aber Supergroups aus Mitgliedern aufgelöster erfolgreicher Bands bilden oder diese gleich eine finanziell lukrative Solo-Karriere hinlegen, ist dies meist die allerletzte Zuckung. Und so wurden die Pixies selbst posthum zum Totengräber des längst abgenippelten Independent-Rock. Zuerst führten sie ihn in die Charts, wo schließlich notgedrungen der Ausverkauf folgte, dann lösten sich die Bostoner auf, aber nicht um in der Versenkung zu verschwinden. Black Francis geht solo als Frank Black, Zweitsängerin Kim Deal machte – und hier stimmt der Ablauf der Geschichte nicht ganz – schon zu Pixies-Zeiten ihre Supergroup namens The Breeders auf. Stammgäste waren Josephine Wiggs von Perfect Disaster und Tanya Donelly von den Throwing Muses. Donelly verdient inzwischen mit Belly unanständig viel Kohle und wurde durch Kims Zwillingsschwester Kelley ersetzt. Der Schlagzeuger ist männlich und wechselt hin und wieder. Und was für Musik The Breeders machen? Ja, äh, Gitarrenschrammschramm mit viel laut und leise und Splittern wie bei den Pixies, aber ohne, ja irgend was fehlt da.

Die Breeders sind durchgehend gut, aber eben auch nur nett, nicht exaltiert genug. Da fehlen schlicht so Momente wie das grandiose „Gigantic“, für das Kim Deal u.a. bei den Pixies verantwortlich zeichnete. Aber, wie gesagt, etwas geht da zu Ende, und man muß die Feste feiern, wie sie fallen.

Am 28.10. um 20.30 Uhr im Loft Thomas Winkler

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