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Ideologie nackter Gewalt

An den Urnen haben die Programme der Rechtsextremen noch keine Chance, aber Spanien ist Basis der europäischen „neuen Rechten“  ■ Aus Madrid Alexander Gschwind

Nicht bloß der deutsche Verfassungsschutz hat den „Spanischen Freundeskreis Europas“ (Circulo Español de Amigos de Europa/Cedade) als Schalt- und Verteilzentrale der europäischen Neonazis ausgemacht. Auch in Spanien selbst sorgen die einheimischen Ultras neuerdings wieder für Aufsehen. Der 1965 noch unter der Diktatur Francos gegründete und bisher von allen demokratischen Regierungen geduldete Cedade hat nach eigenen Angaben zwar nur 1.500 Mitglieder und vefolgt rein „kulturelle“ Zwecke. Aber dazu gehören neben Vegetariertum, Abstinenz, Nichtrauchen und Naturschutz eben auch der unermüdliche Kampf gegen „Auschwitz-Lüge“ und „jüdische Weltherrschaft“. Ihr Gründer Santiago Varela Geiss bekennt sich in aller Offenheit zu seinem Rassismus und verficht mit größter Inbrunst den „biologischen wie geistigen Unterschied zwischen den Völkern“.

Direkte Gewaltanwendung konnte Mitgliedern des Cedade bislang nie nachgewiesen werden. Doch gilt es als sicher, daß sie wiederholt italienischen Neofaschisten Unterschlupf boten und sie mit Waffen oder Sprengstoff für Anschläge und Putschversuche in deren Heimat versorgten. Außerdem sind sie als Versandhaus für neofaschistische Literatur und Kultgegenstände in ganz Europa tätig. Entsprechende Aufträge werden unter Postfachadressen auf den Kanarischen Inseln oder durch den vereinseigenen Verlag „Ediciones Europa“ in Barcelona auch für „befreundete Organisationen“ in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Skandinavien erledigt.

Varela selbst wurde kürzlich in Österreich wegen einer faschistischen Propagandarede zum hundertsten Geburtstag Hitlers zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt. Um einem Verbot auf internationalen Druck zuvorzukommen, hat der Vorstand des Cedade Mitte Oktober dieses Jahres die Selbstauflösung „zur Reorganisation auf breiter Basis“ unter neuem Namen beschlossen.

Als sich vergangenen Herbst und Winter auch in Spanien Morde und Gewaltakte an Gastarbeitern aus der Karibik und Marokko zu häufen begannen, suchten Polizei und Guardia Civil die Täter zunächst im Umfeld der Cedade und der „Nationalen Front“ (Frente Nacional) des franquistischen Nostalgikers Blas Piñar. Meist verloren sich die Spuren jedoch im Milieu dubioser Skinheadbanden, die ihr Weltbild eher bei den berüchtigten „Autonomen Basen“ (Bases Autónomas) bezogen. Diese seit 1987 in Erscheinung tretende „Jugendmacht des dritten Weges“ ersetzt Salonfaschismus und Nationalpatriotismus durch eine Ideologie nackter Gewalt, in der sich Neonazitum und Anarchismus heillos vermengen mit Waffenfetischismus und Uniformkult. Ihre Publikationen tragen Titel wie „Die schwarze Pest“ oder „Packt sie!“ und versuchen das Publikum im Comicstil anzusprechen.

Nach Einschätzung des Madrider Innenministeriums sind diese Gruppen weit gefährlicher als die altbekannten Zirkel Varelas oder Piñars, stoßen sie doch angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von 40 Prozent mit ihren Botschaften auf wachsendes Gehör bei der Generation der Perspektivlosen. Bei öffentlichen Veranstaltungen zum Tode Francos, zum Geburtstag des Falange-Gründers José Antonio Primo de Rivera oder zu Ehren der Legion Condor kommt es auf Madrids Plaza de Oriente wie im „Tal der Gefallenen“ (Valle de los Caidos) regelmäßig zu Schlägereien zwischen rivalisierenden Gruppen. Francos direkte Erben legen großen Wert auf Abgrenzung von Neonazis und Neofaschisten, deren Ideologie sie als „unspanischen“ Import verachten.

An den Urnen haben die Programme der Ultras keine Chance – noch nicht, ist die Erinnerung an die Diktatur in Spanien doch noch viel wacher als etwa in Deutschland oder Italien. Aber weil deren Ideologie unter dem Vorwand eines „friedlichen Übergangs zur Demokratie“ nie öffentlich geächtet wurde, sehen sich auch ausländische Verfechter solcher Ideen hierzulande weniger behelligt als anderswo. Iberien bietet sich geradezu an als Basis der gesamteuropäischen „neuen Rechten“.

Leibhaftiges Symbol für diese Narrenfreiheit ist der belgische SS- General Léon Degrelle, den Hitler einst als seinen „Adoptivsohn“ vergötterte. In den letzten Kriegstagen als Schiffbrüchiger im Baskenland gestrandet, wurde der Massenmörder von Francos Schwager Serrano Suñer mit einem spanischen Paß versehen, entging dadurch allen Auslieferungsbegehren und fristet seither in seiner Villa über Fuengirola an der Costa del Sol ein flottes Rentnerleben. Dort hält er hof für rechtsradikale Wallfahrer aus aller Welt und bekennt sich auch im Greisenalter noch öffentlich zu seiner Vergangenheit. Zum 18. Todestag Francos wollte er am 20. November als Gastredner bei einem internationalen Neonazi-Treffen in Madrid auftreten. Aber dies ging dann selbst den sonst so nachsichtigen spanischen Behörden zu weit: Der für Innere Sicherheit zuständige Staatssekretär Rafael Vera ließ bereits alle vorbereitenden Veranstaltungen verbieten und verhängte gegen deren ausländische Teilnehmer eine unbefristete Einreisesperre.

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