■ Dokumentation: "Wir waren nicht klar"
Zum Auftakt des Halbzeit-Landesparteitags der SPD am Samstag (s.S. 21) hielt die SPD-Landesvorsitzende Tine Wischer eine Rede über die Gründe der Unzufriedenheit in ihrer Partei. Die taz dokumentiert wesentliche Passagen:
„Wenn man die Berichte von Senat und Fraktion liest, dann kommt man nicht umhin zu sagen, da ist doch erfolgreich gearbeitet worden. Vieles ist geschafft und angepackt worden, anderes auf dem Weg der Umsetzung. Woher dann eigentlich die Unzufriedenheit in der Partei und was viel schlimmer ist, bei den Adressaten unserer Politik, den Bürgerinnen und Bürgern?
Es gibt nicht nur eine Ursache für diese Unzufriedenheit. Und es gibt eine Neigung zur Stilisierung, zum Baden in der Unzufriedenheit. Jeder hat Recht, nur nicht die, die gerade handeln. Entsprechend setzen die Fluchtbewegungen ein. Auch ich habe keine Lust, mich dauernd annörgeln zu lassen, bloß weil ich dazugehöre, eine von „denen da oben“ bin. Ich will nicht unsere Schmuddelecken verleugnen, hier müssen wir aufräumen, aber ich bestehe auch auf Differenzierung. Wir müssen uns auch wehren. Die Bewertung von Politik als unanständig, verlogen oder auch als Lachnummer hat eine besondere deutsche Tradition. Der „Ohne Michel“ ist eine Figur der fünfziger Jahre. Jetzt entsteht er neu im „potzmodernen“ Kleid irgendwelcher Statt- Parteien. Dagegen müssen wir angehen, durch Glaubwürdigkeit und mit Selbstbewußtsein. Es sind vielfältige Gründe für den Frust, die alle schon in Analysen über die allgemeine und beängstigende Parteienverdrossenheit genannt sind. Sicher ist, es liegt nicht nur daran, daß wir 'die Erfolge nur nicht richtig rübergebracht haben'. Es liegt auch daran, daß wir uns in einer Zeit der Verteilungskämpfe befinden, wo es beinhart um Interessen geht und gerade von den Sozialdemokraten erwartet wird, daß sie an der Seite derer stehen, die alleingelassen mit einem Mal vor dem existentiellen Nichts stehen. Hier erwarten sie Hilfe von uns. Wir müssen deutlich machen, was unsere Grundpositionen sind. Die waren oft nicht mehr erkennbar. Weder im Senat noch in der Fraktion, und die Partei hatte mindestens zwei. Wir waren nicht mehr klar zu identifizieren.“
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