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Schüler fordern mehr direkten Einfluß auf die Politik

■ Niedersachsen: Politiker bekamen im Landtag die Leviten gelesen

„Ich bleibe dabei“, widerspricht Sebastian Prügel den vier Landtagsabgeordneten von SPD, CDU und FDP. „Das System muß sich ändern. Die Bürger müssen stärker in der Politik mitbestimmen können. Dann werden die Leute sich auch wieder mehr für Politik interessieren.“ Der junge Mann ist Schüler des 13. Jahrgangs des Gymnasiums Wesermünde in Bremerhaven und leitet eine Arbeitsgruppe zum Thema „Politikverdrossenheit“.

Sebastian Prügel steht an diesem Montag wenig später das erste Mal in seinem Leben am Rednerpult des Niedersächsischen Landtags. Etwas aufgeregt noch, aber in der Sache bestimmt, fordert er mehr direkte Einflußnahme von Bürgern auf wichtige politische Fragen bis hin zur Wahl der Kandidaten für politische Ämter. Im Plenum sitzen 18 der 155 Landtagsabgeordneten, einige Journalisten und ansonsten Mitschüler.

Auf Initiative von Landtagspräsident Horst Milde (SPD) findet erstmalig im Leineschloß ein „Schülerparlament“ statt. Nach kurzer Einleitung durch den Hausherrn wird in fünf Arbeitsgruppen diskutiert. Politikverdrossenheit, die neue Landesverfassung, Schulpolitik, Ausländer- und Asylpolitik sowie die Rolle der Medien sind die Themen, zu denen die Schüler im Vorfeld Thesenpapiere an den Landtag geschickt hatten.

Zum neuen Asylrecht prallen unter den Schülern die Meinungen ähnlich hart wie in der Politik aufeinander: Von völliger Zustimmung bis hin zur Ablehnung dieses „massiven Eingriffs in unser Grundgesetz“. Kontrovers auch die Haltung zur Orientierungsstufe oder zur Abschaffung des 13. Schuljahres, wobei „Berichterstatter“ Martin Morgeneyer (Wolfenbüttel) mit Beispielen aus Frankreichs Schulsystem manchem Abgeordneten neue Informationen geliefert haben dürfte.

Obenan steht bei den Schülern der Wunsch nach mehr Bürgernähe der Politik, vor allem nach mehr direkter Bürgerbeteiligung an Politik, vor allem unabhängig von Parteien. Klagen von Abgeordneten, zuviele Bürger würden sich zuwenig über Politik informieren, obwohl sie die Möglichkeiten hätten, lassen sie als Gegenargument nicht gelten. Mit 17 gegen elf Schüler-Stimmen zur Direktwahl von Politikern und 23 gegen sechs für mehr Volksabstimmungen in wichtigen politischen Fragen heimst Sebastian Prügel locker zwei parlamentarische Abstimmungserfolge ein. dpa

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