piwik no script img

Kaschmiris zwischen allen Fronten

■ Spirale der Gewalt: Tausende wurden getötet, Tausende sind ohne Urteil in Haft

„Wenn wir noch am Leben sind, dann verdanken wir das amnesty international und Asia Watch.“ Das sagen einem viele Menschen in Kaschmir. Tatsächlich stehen die Menschenrechte im indischen Teil Kaschmirs nicht besonders hoch im Kurs. amnesty international – deren Vertretern bislang der Zugang nach Kaschmir verweigert wurde – wie auch Mitglieder der amerikanischen Organisation Asia Watch – die als Einzelreisende vor Ort recherchieren dürfen – berichten übereinstimmend: Die Zahl von Toten in Polizeigewahrsam nimmt zu. Und immer mehr Frauen werden bei Hausdurchsuchungen vergewaltigt. Der Mißbrauch des Antiterrorgesetzes hat die indische Verwaltung in Kaschmir praktisch zu einem Kriegsrechtsregime werden lassen. Wer die Unabhängigkeit fordert, wird, ebenso wie Oppositionelle, die mit Pakistanisch-Kaschmir sympathisieren, observiert und mitunter ohne Anklageschrift und Gerichtsverfahren eingesperrt, berichtet Asia Watch.

Hunderte von Oppositionellen sind nach Angaben der amerikanischen Menschenrechtsorganisation spurlos verschwunden – „verschwunden worden“ muß es richtig heißen. Die Kritik westlicher, aber auch islamischer Staaten wie etwa der Vereinigten Arabischen Emirate ist an Neu Delhi indes nicht spurlos vorbeigegangen: Seit dem Sommer liegt dem Parlament in Neu Delhi ein Gesetzentwurf zur Einrichtung einer „Nationalen Menschenrechtskommission“ vor.

Doch die Möglichkeiten dieser Kommission, Menschenrechtsverletzungen durch die Armee und paramilitärische Einheiten zu untersuchen und zu verfolgen, sind erheblich eingeschränkt. Indische Juristen haben die Kommission daher als einen „grausamen Scherz“ bezeichnet, als ein „Betrugsmanöver“. Ein früherer Chefrichter am High Court in Neu- Delhi bezeichnet das „Gesicht Indiens in Kaschmir“ als „häßlich und unsensibel“.

Die Taktik der indischen „Sicherheits“-Kräfte folgt der Maxime „Catch and Kill“. Die gefürchtete Grenzschutztruppe der „Border Security Force“ knöpft sich im besonderen Maße Jugendliche zwischen 16 und 22 Jahren vor. Denn aus dieser Gruppe rekrutieren die Freiheitskämpfer im indischen Himalaya-Bundesstaat hauptsächlich ihren Nachwuchs. Und auch diese militanten Gruppen gehen mit wachsender Brutalität vor. Die Bevölkerung sieht sich, ohne Hoffnung auf ein Ende des Tötens, zwischen den Fronten gefangen. Schätzungen zufolge sind in Kaschmir seit 1990 bis zu 20.000 Menschen getötet worden. Und laut dem Vorsitzenden der Anwaltskammer von Srinagar „verrotten mindestens 15.000 Kaschmiris ohne Verurteilung in indischen Gefängnissen“. itz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen