: Überforderter Nachbar
■ Not in Burundi: Problem für Ruanda
Berlin (taz) – Der ostafrikanische Kleinstaat Ruanda trägt immer schwerer an den Folgen des Militärputsches im benachbarten Burundi. Rund 250.000 der nach UNO-Angaben insgesamt etwa 300.000 Flüchtlinge, die seit dem Umsturz vom vergangenen Donnerstag Burundi verlassen haben, sind dort gestrandet – in dem am dichtesten besiedelten Land Afrikas, das nur etwa so groß ist wie der deutsche Bundesstaat Hessen und zu den ärmsten Ländern der Welt gehört. Der Strom von Hilfesuchenden bringt Ruanda in erhebliche Bedrängnis.
Bewohner des Grenzgebiets haben den entkräfteten Männern, Frauen und Kindern, die vor den Massakern in ihrer Heimat Schutz suchen, Nahrung und Wasser angeboten – aber die Vorräte reichen bei weitem nicht aus. Ausländische Hilfsorganisationen wurden von den Ereignissen unvorbereitet getroffen: Es fehlt an Unterkünften, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. In den provisorischen Flüchtlingslagern sollen bereits Krankheiten wie Hirnhautentzündung, Durchfall und Masern ausgebrochen sein.
Das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) schätzt, daß rund sechs Millionen Mark benötigt werden, um den Flüchtlingen helfen zu können. „Es ist unglaublich“, erklärte die UNHCR-Sprecherin Christiane Berthiaume in Genf. „Nicht einmal auf dem Höhepunkt der Somalia-Krise hatten wir eine so große Zahl von Flüchtlingen in so kurzer Zeit.“
Neben den unmittelbaren logistischen Problemen kann für Ruanda aus den Ereignissen im benachbarten Burundi ein langfristiges politisches Problem entstehen. Beide Kleinstaaten haben viel gemeinsam: Jahrhundertelang wurde die Bevölkerungsmehrheit der Hutu von der Minderheit der Tutsi regiert. Anders als in Burundi aber verjagten in Ruanda die Hutu 1959 ihre einstigen Herrscher in einer blutigen Revolution – etwa 300.000 Tutsi flohen ins Ausland, vor allem nach Uganda.
Von dort fielen 1990 Guerillatruppen in das Land ein, die politische Reformen, vor allem aber auch die Möglichkeit einer Rückkehr der Exilanten forderten. Ruandas Regierung hat es mehrmals abgelehnt, die Flüchtlinge wieder aufzunehmen. Sie erklärte, daß angesichts der Überbevölkerung den Rückkehrern weder Ackerland noch Arbeitsplätze geboten werden könnten. Erst im August wurde nach drei Jahren Bürgerkrieg ein Friedensvertrag unterzeichnet – und ein Ende des Konflikts ist noch keineswegs sicher.
In Burundi ist mit dem Putsch der von Tutsis beherrschten Armee, dem Sturz der frei gewählten Regierung und dem Mord am ersten Hutu-Präsidenten der Geschichte, Melchior Ndadaye, der blutige Konflikt zwischen beiden Volksgruppen neu entbrannt. Die Massaker der letzten Tage drohen auf lange Zeit das Verhältnis zwischen Hutu und Tutsi, die jetzt die Macht wieder an sich gerissen haben, zu vergiften.
Die Entwicklung dürfte auch für Ruanda nicht folgenlos bleiben: Aus Gründen historisch gewachsener Solidarität und verwandtschaftlicher Bindungen kann das Land den Flüchtlingen, die in ihrer Mehrheit Hutu sind, die Aufnahme nicht verweigern. Platz aber gibt es für sie nicht. Und wann sie in ihre Heimat zurückkehren können, ist ungewiß.
Der Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen hat unterdessen den Militärputsch in Burundi scharf verurteilt und die umgehende Rückkehr zur Demokratie und zur verfassungsmäßigen Ordnung gefordert. Auf die Forderung nach ausländischer Militärintervention, die von Mitgliedern der gestürzten Zivilregierung erhoben worden war, wurde in der Erklärung jedoch mit keinem Wort eingegangen. UNO-Generalsekretär Butros Ghali hat James Jonah, einen seiner Stellvertreter, als Sondergesandten in das ostafrikanische Land geschickt. Er soll Kontakt mit den Militärmachthabern aufnehmen und sich einen Überblick über die Lage verschaffen. Bettina Gaus
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