Brummifahren für die Hälfte

Die Finanzminister der Europäischen Gemeinschaft machen den Weg frei für Vignette und Senkung der Kraftfahrzeug-Steuern  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Finanzministertreffen geben meist ein viel genaueres Bild vom Zustand der Europäischen Gemeinschaft als die weihrauchgeschwängerten Gipfeltreffen der Regierungschefs. Wenn's ums Geld geht, wird der kleinste gemeinsame Nenner definiert. So scheiterte bei der Zusammenkunft am Montag die Einführung einer gemeinsamen Quellensteuer am Widerstand Luxemburgs, das nicht auf die Kapitalflucht aus den Partnerländern verzichten will.

Allein jede vierte neugesparte Mark geht zur Zeit ins Großherzogtum, weil die Banken dort bei Geld aus dem Ausland kein Finanzamt kennen. Alle anderen EG-Staaten haben inzwischen Wege gefunden, um Zinseinkommen zu versteuern, manche über Kontrollmitteilungen ans Finanzamt, andere, wie Deutschland, über eine pauschale Quellensteuer. Nur Luxemburg verzichtet großzügig auf die Steuereinnahmen und profitiert dafür vom Bankenboom. Und damit das auch so bleibt, beruft sich das Land auf die Beweglichkeit des Kapitals. Erst wenn nicht nur die EG-Staaten, sondern alle Industrieländer eine einheitliche Regelung fänden, dann würde sich auch das Großherzogtum nicht länger spreizen.

Viel wichtiger, aber nicht weniger typisch für den Zustand der EG ist der Beschluß der Finanzminister über einen Mindeststeuersatz für Lastwagen. Brummifahren soll künftig in der EG für alle gleich teuer sein – aber für die Deutschen um vieles billiger als bisher.

Ab 1995 muß beispielsweise ein Vierzigtonner überall nur noch mit 1.330 Mark besteuert werden. Zur Zeit liegt die Steuer in allen EG- Ländern darüber. Doch während deutsche Spediteure pro Laster noch rund 10.500 Mark jährlich zahlen müssen, kommen niederländische mit knapp 3.000 davon. Bis 1998 werden alle Mitgliedsstaaten ihre KFZ-Steuern vermutlich bis zum Mindestsatz absenken. Denn bis dahin wollen die EG- Länder schrittweise den freien Wettbewerb auf der Straße einführen. Jeder Fuhrunternehmer kann dann in jedem beliebigen EG- Land den einheimischen Spediteuren Konkurrenz machen, und keine Regierung wird sich trauen, ihren Spediteuren durch zu hohe nationale Abgaben einen Wettbewerbsnachteil zumuten.

Allerdings ist die Regelung nicht ganz so unsinnig, wie sie auf den ersten Blick aussieht. Die Einigung auf einen niedrigeren Mindeststeuersatz war Voraussetzung für die Zustimmung der EG-Partner zur einer Straßenbenutzungsgebühr in Deutschland. Ab 1995 brauchen Laster auf deutschen Straßen eine Vignette, die jährlich für einen Vierzigtonner etwa 2.375 Mark kosten soll. Einige Regierungen, vor allem die holländische, hatten bereits signalisiert, daß sie ihren Fuhrunternehmen die Vignettengebühr durch Steuernachlässe ausgleichen wolle. Die Bundesregierung drängte deshalb auf den Mindeststeuersatz, um solche Verbilligungswettläufe zwischen den Staaten zu verhindern. Außerdem wurde vereinbart, daß Länder mit bereits niedriger KFZ-Steuer sich dem Mindestsatz nur noch langsam nähern dürfen.

Die Einigung der Finanzminister beendet einen 25jährigen Streit über die Chancengleichheit des europäischen Güterverkehrs auf der Straße. Die Chancen des Güterverkehrs auf der Schiene sind dadurch nicht unbedingt gestiegen. Zwar soll der Erlös aus dem Vignettenverkauf der Sanierung der Reichs- und Bundesbahn zugute kommen, hat der Bundesverkehrsminister versprochen. Schließlich sei sie durch die teure Schienenhaltung im Nachteil.

Aber im täglichen Konkurrenzkampf gegen Autobahn und Landstraße sieht die Bahn bald noch schlechter aus. Wie weit die Regierung die KFZ-Steuer für Lastwagen tatsächlich absenken wird, ist noch offen. Der EG-Mindestsatz ist nur eine Richtlinie. Aber selbst wenn sie von den deutschen Fuhrunternehmen doppelt soviel kassiert wie die Nachbarländer, läuft das auf eine Steuerkürzung um 75 Prozent hinaus. Selbst mit Vignette fahren deutsche Brummis künftig für die Hälfte.