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Duck mit dem Goldhelm

■ „Überall ist Entenhausen": das Duck-Imperium im Überseemuseum

Auch er war in Arkadien: der alte Duck, so anno 1787/88. Erst jetzt haben Forscher ein Gemälde des Herrn Tischbein entdeckt, das Dagobert zweifelsfrei während seiner legendären Italienreise zeigt, wie er recht malerisch auf ein paar Tempelbrocken in der Campagna rastet. Ähnlichkeiten mit Tischbeins Goethebildnis betrachten die Forscher als rein zufällig...

Die dreiste Fälschung gehört zu den Schmuckstücken einer Ausstellung, die den Siegeszug der Disney-Figuren durch alle Kulturen dokumentieren will: „Überall ist Entenhausen“, jetzt auch im Bremer Überseemuseum. Dort tummeln sich die Enten, Mäuse und Köter des Disney-Universums nun in allen erdenklichen Formen und Farben. Die Studentengruppe „Interduck“, die namens der Braunschweiger Hochschule für Künste mit ihrer Ausstellung seit vier Jahren durch die Lande tourt, hat einmal den Merchandising- Trödel bzw. — Terror der Fa. Disney zusammengetragen, systematisiert und soziologisch ausgedeutet. Als sei das des Schreckens nicht genug, haben die Kunststudenten die Disney- Characters auch noch in die Kunstgeschichte verfrachtet: So prangen neben den Micky- Zahnbürsten und Donald-Sparbüchsen auch Bildnisse des Micky van Gogh, der Mona Daisy oder der Königin Duckfretete im Saal.

Die Allgegenwart der Ducksippe in unser aller Alltag wird so recht eindrucksvoll demonstriert. 60.000 Lizenzen hat das Disney-Imperium bis heute für

Leonardo a la Disney: die Verduckung der Kunstgeschichte.Fotos: Christoph Holzapfel

die absonderlichsten Produkte vergeben; ein paar Kilo davon präsentiert die Ausstellung nun in einem nachgebastelten Kinderzimmer, das unter der Last der Duck-Devotionalien nahezu aus den Fugen geht. Da wird der Konsumterror der niedlichen Viecher den Betrachtern schon recht anschaulich vor Augen geführt. Allzu lehrreich aber wird die Ausstellung dort, wo auf Stelltafeln das „Phänomen“ Entenhausen wissenschaftlich aufgedröselt wird. In bravem Soziologendeutsch wird „Die Ware Mickey-Mouse“ durch die Jahrzehnte analysiert. Mit dem nicht eben erstaunlichen Ergebnis: „Ihre internationale Verbreitung macht sie zu einer Welt

hierhin bitte die dicke Skulptur (r.) und das Donaldplakat (l.)

Kultur in Waren-Form.“

So richtig hintersinnig und vergnüglich wird es erst dort, wo die Studenten alle pädagogische Vernunft fahren lassen und sich ganz dem Spaß hingeben. In einer wahren „Duckomenta“ sind hier die Kunstwerke einer frei und frech erfundenen Kulturgeschichte versammelt: der Sarkofag des Duckamun, der Dagobert mit dem Goldhelm, bis hinunter zu Scherben minoischer Weihgefäße, auf denen Donalds Vorfahren verewigt sind. Alles säuberlich beschriftet, ganz im schwergängigen Habitus des Kulturgelehrten: „Königin Duckfretete, Neues Reich, 18. Dynastie, Amara-Zeit, um 1340 v.Chr....“ Mit liebevoller Selbst

ironie ist hier die verknöcherte Art persifliert, mit der Geistenswissenschaftler noch an die spaßigsten Nebensachen des Lebens herangehen. Und das Museum macht den Jux mit: Demnächst werden uns die beiden altvertrauten, steinernen Sphinx- Figuren am Portal mit leicht veränderten Gesichtszügen begegnen... tom

Bis 31.1. im Überseemuseum

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