: Bremen hat keine Chance und nutzt sie
■ Debatte um Sanierungskonzept auf DGB-Kongreß / Hickel: Bremen wird absacken
Es herrscht Wahlkampf bei Bremens Arbeitnehmerorganisationen, die Pfründe der Abgestelltenkammer sind zwischen den DGB-Gewerkschaften und der DAG umkämpft — da häufen sich die zurechtgezimmerten Veranstaltungen und Kongresse auf den Bremer Terminkalender. „Sozialpolitischer Kongreß: Wem gehört die Stadt“ war der Titel einer dieser Wahlkampf- Veranstaltungen des DGB, bei der die beiden Kammern sich praktischerweise an der Finanzierung beteiligten.
Eine bremische Kontroverse, die wirklich einen Kongreß verdient hätte, hatten die Organisatoren allerdings auf die Tagesordnung gesetzt: In der Arbeitsgruppe „Alternativen zum Sparen“ stritt der Uni-Professor Rudolf Hickel mit dem Vertreter des Finanzsressorts, Matthias Stauch, um die bremische Sanierungspolitik. Hickel wehrte sich gegen die Logik der Sachzwänge, die vom Finanzressort aufgebaut wird. Weil es keine Alternativen gebe und weil mit dem Investitionssonderprogramm (ISP) auch Arbeitsplätze geschaffen würden, „müssen die Gewerkschaften es mittragen“, hatte Stauch erklärt. Und zum Sanierungsprogramm gehört eben auch die Sparpolitik.
Hickel hatte in seinem schriftlichen Text einen neuen Streit um die „Einwohnerwertung“ als Alternative formuliert: Wenn Bremen im bundesweiten Finanzsausgleich so gestellt wäre wie Stuttgart, gäbe es keine strukturellen Finanzprobleme mehr. In der Debatte mußte Hickel allerdings dem Ressort-Fachmann Stauch schnell einräumen, daß dies politisch ohne Chance ist. Hickel konzentrierte sich so auf den anderen Teil seines Argumentes: Die Finanzierungsprobleme Bremens sind strukturell, ein Investitionsprogramm wird, wenn es erfolgreich ist, nur dazu führen, daß Bremen weniger Zahlungen aus dem Bund-Länder-Finanzausgleich erhält. Zu nachaltigen Steigerungen des verfügbaren Etats werde es nicht kommen. Selbst wenn die Verschuldung im Jahre 2004 etwas geringer ist als heute, wird sie genauso schnell wieder anwachsen.
Hickels Argument: Wenn es keinen Ausweg aus der Finanz-Falle gibt, dann muß man sich politisch darauf einstellen, daß Bremen eben eine Großstadt „zweiter Ordnung“ sein wird. Das Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht war wegen der Ablehnung der besseren „Einwohnerwertung“ eine „brutale Niederlage“, sagt Hickel, kein Sieg. Das dürfe man nicht schönreden wie Wedemeier es mache.
In der Analyse mochte Matthias Stauch dem Uni-Mann kaum widersprechen. In der Konsequenz allerdings verlangte er mehr Einsparungen als bisher (“das war erst der Anfang, noch sehr moderat“). Kein anderes Bundesland etwa leiste sich einen Behindertenfahrdienst wie Bremen.
Rein finanzpolitisch gesehen gebe es, so Stauch, die Möglichkeit, daß Bremen nach den ersten 5 Jahren des Sanierungsprogramms beschließt, die Begrenzung der Haushaltssteigerungen auch weiterhin auf 3 Prozent zu begrenzen und das Sonderinvestitionsprogramm so zu strecken, daß 3 Milliarden mehr in die Schuldentilgung gesteckt werden können. Dann sehe er eine realistische Möglichkeit, die Staatsfinanzen wirklich zu sanieren. Das werde aber 1998 zu entscheiden sein, beschlossen sei das Sonder- Investitionsprogramm bisher nur für die ersten 5 Jahren des Sanierungszeitraums.
Die Arbeiterkammer-Referentin Angelina Sörgel forderte den Senat auf, „den Eindruck einer sozial gerechten Sparpolitik“ zu machen, „auch wenn es finanziell nichts bringt“. K.W.
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