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Von Hasen und Eseln

■ IA Brandenburg: Eine Tiergeschichte zum Start des Berliner Lokalfernsehens

Bemüht, sich ihre Verlorenheit im Zentrum der Stadt nicht anmerken zu lassen, umkreisen ein paar Männer den Fernsehturm, bis sie dann von einem Verantwortlichen an die Hand genommen und an feixenden Arbeitern vorbei zu den Schnittchen geführt werden. Am offiziellen Eingang, den die meisten wichtigen MedienvertreterInnen nicht gefunden hatten, steht grüßend ein großer weißer Hase, der komisch herumwedelt und Faxen macht, wenn jemand kommt. Traurig schauen aus dem Hasen zwei braune Augen, die wohl irgendwie wissen, daß das ganz schön peinlich ist, in einem oberlächerlichen Hasenkostüm zu stecken. „Wir kommen!“ freut sich der Sender, um die Fruchtbarkeitssymbolik des Hasen zu betonen und an das allnächtliche Standbildprogramm von Schamoni zu erinnern, in dem „Hugo“, der erigierte Comic-„Schwanz“ (um es mal so drastisch zu sagen), viele lustige Abenteuer erlebte. Ein wunderschönes DDR-Diorama, das „Berlin – die Hauptstadt der DDR“ zeigt, steht als Mauerblümchen am Rande. „Willkommen zum zweiten Pressetreffen von IA!“ sagt ein dicker Grinser und wackelt mit seinen Patschhändchen. Das ist Herr Schamoni, der, nachdem er den Berliner Radiomarkt mit seinem privaten Freudenfunk erobert hat, nun auch mit „einem Fernsehen zum Nahsehen“, „mitten aus dem Leben, mitten aus Berlin, mitten aus Brandenburg“ zum Angriff auf die regionalen Einschaltquoten ansetzt. „Achtung, wir kommen!“ sagt der geschäftsführende Vorsitzende und führt uns, um Reality- Effekte bemüht, durch die Privatanstalt, die am ersten Advent ihren Betrieb aufnehmen will. Echte Bauarbeiter schauen am Rande auf die Gruppe, die im Gänsemarsch an Erstkläßler erinnert. Echte Telefone sind den Fotografen zuliebe malerisch „unordentlich“ auf dem Boden arrangiert. Bunt leuchten die Kabel: „Überall sind solche Kabelgeschichten – das ist für mich das Faszinierende.“ „Und das soll der letzte Stand der Technik sein?“ beschwert sich ein Kollege. Acht Fernseher leuchten im anchor-room, um auf Professionalität zu verweisen. Wer ist der Mann, der alles kann? – der anchorman, der anchorman!!

Sechs Medieneffizienzer sitzen danach fröhlich rauchend auf einem Podium. Neben Schamoni sitzt der Herr Thimme, ein rechter Schlawiner, dessen durchgehendes Lächeln ein wenig ins Entschuldigende spielt. Ein paar Jahre lang hatte er den meuchelgemordeten Alternativsender „Radio 100“ betrieben, hernach sich die alte Frequenz erschlichen, um dort recht erfolgreich den fröhlichen Pißsender „Energy“ (sozusagen das Schamoni-Pendant für Twens) zu betreiben. Bei dem Eselsender (Spottname IA Brandenburg) ist er fürs Marketing „in völlig neuen Dimensionen“ zuständig.

Man habe ja so gehört, hat ein Kollege gehört, daß viel Geschlechtliches über den Sender flimmern werde. Doch „unser Leben wird nicht nur von der Erotik bestimmt“, weiß Herr Schamoni. Außerdem „sind uns selbst die billigsten Sexfilme noch zu teuer“. So setzt er auf low budget: viel Videowünsche, Clips und Spiele, „vernachlässigte“ und „experimentelle“ Filme (man darf gespannt sein), Filme, die in Berlin spielen, „ob das nun ,Auf Wiedersehen, Franziska‘, ein Renner aus der Nazizeit“ oder anderes ist, vor allem aber, nach dem Vorbild amerikanischer Entwicklungen, die so allmählich auch nach Deutschland trudeln, aufs Lokale. Von einem „Europa der Regionen“, das sich dem „Nationalen“ entgegenstelle, ging gar seine menschlich anrührende Rede: „Aus der Heimat schöpfen wir unsere Kraft.“ „Sooft wie möglich“ will deshalb der stellvertretende Chefredakter Herr Büchel (Ex-DFF) mit dem Ü-Wagen rumfahren, „die Menschen zu Wort kommen lassen“ und das so Entstandene in „Sendegefäße reingießen“. Ist ja auch billiger. Um Kosten zu sparen, sollen die IA-Journalisten auch nicht nur recherchieren, texten, sondern auch schneiden und filmen können. Solch Allroundtalente müssen wir allerdings erst noch „developpen“. Auch anderes „entscheidet sich erst morgen“: Ob die GfK (Zuschauerforschung) zum Beispiel IA aufnimmt, oder ob der Sender die Nachrichten von n-tv übernehmen kann. „Kreativität wächst nur aus diesem Boden“, sagt Herr Schamoni. Wer dazu Lust hat, darf gespannt sein. Detlef Kuhlbrodt

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