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HSV am Stammtisch

■ Maritime Hauptversammlung mit Käpt'n, schwerer See, ruhigem Fahrwasser und neuem Steuermann   Von Peter Behrendt

Im Foyer des Curio Hauses roch es sportlich. Der markante Duft des allseits beliebten „HSV-Life“- Parfums schwebte über den Köpfen der Vereins-MitgliederInnen, die zur Feier des Tages je ein Fläschchen „HSV-Cosmetics“ überreicht bekamen. Zur Feier, vulgo „Jahreshauptversammlung des HSV“, kamen fast soviele Leute wie in der vorigen Saison zu den Heimspielen ins Volkparkstadion: Sage und schreibe 651 HSVler traten zusammen, um Jürgen Hunkes letzten Worten als Präsident zu lauschen.

Und sie wurden nicht enttäuscht. Der Versicherungsagent, Ferrarifahrer und fernöstliche Hobby-Philosoph hielt in hanseatisch-blauem Outfit eine Abschiedsrede, die eines Henning Voscherau würdig wäre: Ein Käpt'n sei er gewesen, und kein schlechter obendrein, der „das Schiff HSV in schwerer See“ übernommen und ebenso besonnen wie konsequent „in ruhiges Fahrwasser gelenkt“ habe. Applaus.

Eindringlich warnte Hunke davor, das bis heute Erreichte leichtsinnig zu verprassen. Der Verein sei „nun schuldenfrei und unbelastet“ – ein Pluspunkt, dessen sich der Senatsprimus allerdings würde kaum rühmen können. Applaus.

Und dank der sportlichen Leistungen der Bundesliga-Mannschaft sei der Verein auch wieder „Thema an den Stammtischen“, was für Hunke „enorm wichtig“ ist, da hier das Potential sitze, das sich der Verein im Volksparkstadion wünscht. Applaus.

Auch die HSV-AG, wirtschaftspolitisches Lieblingsthema des „Grövaz“ (Größter Vereinpräsident aller Zeiten), sei so ein Flop nun auch wieder nicht. Geraune im Saal. Kurzes Stocken, gefolgt von schnellem Schwenk zu dem von ihm gegründeten „Wirtschaftsrat“, der „Kontakte zu Wirtschaft und Politik aufbauen und fördern“ und dem künftigen Präsidium mit Rat und Tat zur Seite stehen wolle. Applaus. Hunkes Nachfolge war flott geregelt. Ronald Wulff, Hunke-Protegé und einziger Kandidat, wurde per Akklamation und fast einstimmig zum neuen Käpt'n befördert. Applaus.

Der wenig charismatische Gebäudereiniger Wulff erläuterte sodann den neuen Kurs, der der alte sei. Erstmal sparen, und dann „nur soviel Geld ausgeben, wie auch da ist“ – Neues wird von ihm nicht zu erwarten sein. Außer daß er sich, wie angekündigt, verstärkt um den Nachwuchs und das eigene Amateurlager kümmern wird. Applaus. Doch das hat noch jeder neue HSV-Käpt'n versprochen. Im Kielwasser seines Vorgängers wird Hobby-Segler Wulff, der sich schon über den Nordatlantik wagte, kaum zu allzufernen Gestaden aufbrechen.

Später verzogen sich die Vereinsoberen in eine nahgelegende Edelkneipe. Die Balltreter-Profis hatte Wulff bereits um 21 Uhr „bitte auf direktem Weg“ nach Hause geschickt. Applaus – und noch ein Bier für die, die bleiben durften.

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