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Stahlsanierung: Im Kampf gegen das seltsame Subventionsgebaren

■ In Europa lagern 30 Millionen Tonnen Rohstahl zuviel / Unternehmen, die „freiwillig“ dichtmachen, werden honoriert

Der Fahrplan zur Sanierung der westeuropäischen Stahlindustrie sah eigentlich eine Einigung schon für Ende September vor. Doch der Streit um neuerliche Stahlsubventionen zwischen der EG-Kommission und diversen nationalen Regierungen ließ den Termin platzen. Nur soviel ist gewiß: In Europa existiert eine Rohstahlüberkapazität von circa 30 Millionen Tonnen. Abgebaut werden soll diese Tonnage auf freiwilliger Basis. Zu diesem Zweck haben die Stahlkonzerne einen von der EG-Kommission inzwischen formell gebilligten „Umstrukturierungsfonds“ eingerichtet. Der soll jene Unternehmen unterstützen, die Kapazitäten stillegen und aus dem Stahlmarkt ausscheiden. In Brüssel wird erwartet, daß die im Markt verbleibenden Stahlkonzerne etwa zwei Milliarden Mark in diesen Fonds einzahlen werden. Noch stehen die Erfolge beim freiwilligen Kapazitätsabbau indes aus. Während der Präsident der deutschen Wirtschaftsvereinigung Stahl, Ruprecht Vondran, beim Rohstahl eine Einigung für möglich hält, ist der Abbau der Weiterverarbeitungskapazitäten völlig offen. Dazu müssen in Europa drei sogenannte Warmbreitbandstraßen mit einer Kapazität von rund 20 Millionen Jahrestonnen stillgelegt werden. In Deutschland existieren sechs dieser Straßen – eine davon wird es treffen –, in denen die dicken Stahlbrammen zu marktfähigen Produkten gewalzt werden. Die Karten wollen die Stahlbosse erst dann gegenüber der EG-Kommission auf den Tisch legen, wenn Klarheit über das künftige Subventionsgebaren besteht. Die Kommission hatte erst im Sommer die Genehmigung einer staatlichen Finanzspritze für den italienischen Staatskonzern Ilva in Höhe von rund acht Milliarden Mark abgelehnt. Der größte europäische Subventionssünder, Spanien, will dem Stahlkonzern CSI noch einmal rund 5,3 Milliarden Mark zuschießen und verspricht dafür die Privatisierung des Konzerns und die Schließung einiger Werke. Die deutschen Stahlindustriellen erwarten, daß die EG- Kommission die Subventionen für Italien und Spanien nur genehmigt, wenn im Gegenzug weiter Stillegungen fest zugesagt werden. Erst dann, so verbreiteten die westdeutschen Konzernherren während der Weltstahlkonferenz Anfang Oktober in Paris, werde man die Stillegung einer Warmbreitbandstraße in Deutschland in Angriff nehmen. Nach den Berechnungen der Düsseldorfer Wirtschaftsvereinigung Stahl wurde in der Zeit von 1975 bis 1992 jede Tonne Rohstahl in Spanien im Durchschnitt mit 117 Mark subventioniert. Italien schoß nach diesen Angaben pro Tonne durchschnittlich 108 Mark zu, Großbitannien 87, Frankreich 66 und Deutschland war mit zehn Mark je Tonne dabei.

Beim Kampf gegen die Subventionen sehen sich die westdeutschen Stahlbosse von der Bundesregierung im Stich gelassen. Dadurch, daß Bundeswirtschaftsminister Günther Rexrodt sich in Brüssel für den Bau und die Subventionierung einer neuen Warmbreitbandstraße bei der Eko Stahl AG in Eisenhüttenstadt stark gemacht habe, sei ein „Subventionsberufungsfall“ in Deutschland geschaffen worden, auf den sich alle anderen Subventionssünder nun stürzen würden, befürchtet man etwa bei Thyssen. Der gestern vollzogene Verkauf von Eko an die italienische Riva-Gruppe beruht auf einem Unternehmenskonzept, das den Bau einer neuen Warmbreitbandstraße mit einer Jahreskapazität von 900.000 Tonnen vorsieht. Insgesamt rechnet man dabei mit öffentlichen Hilfen von rund einer Milliarde Mark. Die letzte Entscheidung soll der EG-Ministerrat am 18. November treffen. Den Beschluß der Treuhand, Eko an Riva zu verkaufen, bezeichnete der oberste westdeutsche Stahllobbyist, Ruprecht Vondran, gestern als „höchst problematisch“. Sie führe dazu, „den am Markt bereits bestehenden Druck von Überkapazitäten weiter zu erhöhen“. Auf keinen Fall, so die Warnung Vondrans, „darf die Zustimmung der EG-Partner zu dieser Lösung erkauft werden, indem die Bundesregierung im Gegenzug den vorgelegten Plänen der Italiener und Spanier zustimmt“.

Der Vizepräsident der EG- Kommission, Martin Bangemann, Ex-Bundeswirtschaftsminister und wie der amtierende Wirtschaftsminister Rexrodt Mitglied der FDP, hatte das Ansinnen der Bundesregierung, Eko quasi als „Sonderfall“ zu betrachten, bisher immer abgelehnt. Für den Abbau von Kapazitäten und die Schaffung neuer Arbeitsplätze stelle die EG ganz gezielt Geld zur Verfügung. „Was wir aber nicht machen können, ist mehrheitlich, mit über 50 Prozent aus öffentlichen Mitteln, neue Kapazitäten zu schaffen“, sagte Bangemann erst vor wenigen Tagen. Die Bundesregierung hält dagegen, daß Ostdeutschland seit der Vereinigung einen in Europa einmaligen Kapazitätsabbau bereits hinter sich habe. Der „Sonderfall“ ist tatsächlich gut belegt: So ging die Rohstahlproduktion in den neuen Ländern von über acht Millionen Jahrestonnen auf inzwischen rund 2,8 Millionen Jahrestonnen zurück. Und von den ehemals über 80.000 Stahlkochern werden bis zum Ende dieses Jahres kaum mehr als 12.000 übrigbleiben. Walter Jakobs

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